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Diakonissen als
Streitmacht der
Barmherzigkeit

Schau: »In Demut und Gehorsam«

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Sie sollten nicht »um Lohn«, sondern »aus Dankbarkeit und Liebe« die Arbeit verrichten, hatten aber im Gegenzug Anspruch auf Fürsorge bei Krankheit und im Alter und verpflichteten sich zur Ehelosigkeit: die Diakonissen.

Friedrich von Bodelschwingh nannte die Diakonissen »Töchter« und »Streitmacht der Barmherzigkeit«. In der Historischen Sammlung am Kantensiek 9 wird am Sonntag, 23. April, 15 Uhr, die Ausstellung ». . . in Demut und gehorsam . . . - Bodelschwingh und die Diakonissen« eröffnet. Gleichzeitig erstmals zu sehen: »B.guckt: Bodelschwingh-Ansichten«.
»Friedrich von Bodelschwingh, das ist der Leiter Bethels«, sagt Bärbel Bitter, Leiterin der Historischen Sammlung. »Doch Bodelschwingh stand ebenfalls dem noch jungen Diakonissenhaus Sarepta vor - das war für ihn genauso wichtig wie Bethel selbst.« Die Schwesternschaft betreute epilepsiekranke Frauen und versorgte Patienten in einem Krankenhaus, das dem Mutterhaus Sarepta unmittelbar angegliedert war. Die Schwesternschaft erlebte einen enormen Zuspruch: von neun im Gründungsjahr 1869 auf 1256 im Jahr 1909. Nur ein kleiner Teil der Frauen, die sieben Jahre lang ausgebildet wurden, war in Bethel im Einsatz; viele wurden bis nach Nizza, Antwerpen und London entsandt. Bodelschwingh, dessen 175. Geburtstag in diesem Jahr begangen wird, galt als liebevoller, wenn auch strenger »Vater«, der unermüdlich bei den oftmals skeptischen oder ängstlichen Eltern um deren Töchter warb.
Bärbel Bitter zeigt in der Ausstellung, dass Frauen als Diakonisse regelrecht Karriere machen konnten: Sie kamen nicht nur buchstäblich unter die Haube - Bodelschwingh selbst setzte sich für ein »praktisches«, schlichtes Modell ein - sie brachten es bis zur Hausmutter, selbst, wenn sie aus einfachen Verhältnissen stammten. Außergewöhnlich: Diakonissen hatten Anspruch auf drei Wochen Urlaub im Jahr, erholten sich in Kurbädern, aber auch in Haus Salem, das eigens zu diesem Zweck erworben wurde.
Zu sehen sind Dokumente wie Dienstverträge, Fotos, ein Tagebuch, die Tracht (ebenso schwierig zu beschaffen wie die ursprüngliche Haube im so genannten Kaiserswerther Stil mit Rüschen und Schleife), dazu medizinisches Gerät, Lebensläufe. Bodelschwingh habe stets die »richtige Motivation« seiner Schwestern gefordert, die qualifizierte Arbeit leisten sollten, sagt Bärbel Bitter; er habe das »im Chor singen« genannt. Zwei Drittel der Diakonissen seien der Schwesternschaft ein Leben lang treu geblieben, gut 33 Prozent zogen es vor, auszutreten und doch zu heiraten.
Die zweite Ausstellung »B. guckt« zeigt Darstellungen Bodelschwinghs in Bildern, Skulpturen, Büchern. Nach seinem Tod 1910 versuchten viele Menschen, sein Andenken in Abbildungen zu bewahren. Zu sehen sind unter anderem Bodelschwinghs Totenmaske, Fotos und Ansichtskarten von seiner - regelrecht vermarkteten - Beerdigung und die Entwürfe für eine nie realisierte lebensgroße Bodelschwingh-Plastik. Der Bildhauer, der den Wettbewerb gewonnen hatte, war katholisch . . .
Die Ausstellungen sind bis zum 25. Mai zu sehen: sonntags bis donnerstags jeweils von 15 bis 18 Uhr. Dann vom 30. Mai bis zum 23. Juni, dienstags bis donnerstags jeweils von 15 bis 17 Uhr.

Artikel vom 21.04.2006