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Putzfrau soll 46 Wollpullover ersetzen

Falsch getrocknet: Steinheimer Zahnarzt verklagt seine »Perle« auf 8824 Euro Schadenersatz

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Ein Zahnarzt aus Steinheim hat seine Putzfrau auf 8824 Euro Schadenersatz verklagt, weil sie ihm seine teuren Pullover verwaschen hat.

Keineswegs ein Stück aus dem Kuriositätenkabinett, sondern ein realer Rechtsstreit, der vor dem Paderborner Arbeitsgericht ausgetragen wird.
»Können Sie stricken?«, fragt Rechtsanwalt Franz-Josef Meier seine wie ein Häuflein Elend neben ihm hockende Mandantin. Doch die 42-Jährige zuckt nur verschüchtert die Schultern. Mit Stricknadel und Wollknäuel wird sie ihrem Chef den angeblichen Schaden wohl nicht ersetzen können.
Der Doktor der Zahnmedizin liebt Kaschmir- und Shetlandpullover mit Norwegermuster. Sage und schreibe 46 dieser edlen Exemplare stapeln sich in seinem Kleiderschrank. Tragen kann er sie nicht mehr. »Alle Pullis sind total ausgeleiert, reichen meinem Mandanten bis zum Knie, und die Ärmel sind auch viel zu lang«, beklagt sein Anwalt Robert Bergschneider.
Die Beklagte, die seit zehn Jahren als Reinigungskraft bei dem Mediziner angestellt ist, hat die teuren Stücke nach dem Waschen nämlich auf die Leine gehängt. Was, wie erfahrene Hausfrauen wissen, für jeden Wollpullover den sicheren Tod bedeutet. Die größtenteils handgestrickten Stücke dürfen nämlich nur liegend getrocknet werden, damit sie nicht außer Form geraten.
»Aber bei einer Putzhilfe darf man nicht unbedingt voraussetzen, dass sie über dieses Wissen verfügt«, macht Richterin Silke Petersen in der Verhandlung deutlich. Denn ein Arbeitnehmer kann nur für Schäden haftbar gemacht werden, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Zweifel äußert die Richterin zudem an der Höhe des Schadens. Für teilweise sieben Jahre alte Pullover könne man wohl nicht allen Ernstes den Neupreis verlangen.
Auch wenn der Anwalt des Klägers versichert: »Norweger sind immer schick und kommen nie aus der Mode«, äußerte Richterin Petersen »erhebliche Bedenken« gegen eine Verurteilung der unglücklichen Putzfrau und unterbreitete einen Vergleichsvorschlag zur Güte: Die »Perle«, die nach wie vor bei ihm beschäftigt ist, ersetzt dem Doktor zwei der vermeintlich unbrauchbar gewordenen Pullis und zahlt einen eher symbolischen Betrag von 150 Euro - damit ist der Rechtsstreit erledigt.
Ob der Zahnarzt mit dieser salomonischen Regelung einverstanden ist, wird sich zeigen. Er kommt erst Ende Mai aus Nicaragua zurück. Dort kann er momentan auf die wärmende Wolle verzichten.

Artikel vom 21.04.2006