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Mit mehr oder weniger Geld?

CDU und SPD starten Programmdebatten - Brok in Grundsatzkommission

Berlin (Reuters/WB/rb). Startschuss für die Programmdebatten in SPD und CDU: Der Staat wird nach Einschätzung des künftigen SPD-Chefs Kurt Beck mehr Geld brauchen, um die Zukunftsaufgaben bewältigen zu können.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla betonte hingegen, der Staat müsse sich »aus manchen Aufgaben ein Stück weit zurückziehen, um andere Aufgaben wirkungsvoller und zielgerichteter wahrnehmen zu können«. Er ging auf Distanz zu den Sozialdemokraten, die gestern ebenfalls die heiße Phase ihrer Kursbestimmung eröffneten. Die Spitze der Sozialdemokraten spricht sich gegen einen »abgemagerten« Sozialstaat aus und will einen »besseren« Sozialstaat erreichen. Die SPD fordert mehr Engagement des Staates in den Bereichen Bildung, Erziehung und Integration.
Der CDU-Bundesvorstand berief gestern die neue 60-köpfige Grundsatzprogramm-Kommission unter Leitung von Pofalla. Auch CDU-Bezirkschef Elmar Brok gehört ihr an. Der Bielefelder sagte dieser Zeitung, zunächst müssten »Papiere für eine vernünftige und strittige Diskussion« erarbeitet werden. Provokationen seien dabei durchaus zulässig, um die Selbstfindung der Partei voranzutreiben. Eine Zwischenbilanz solle beim CDU-Parteitag Ende November in Dresden gezogen werden. Die CDU brauche Leitlinien und »Prüfungsmethoden«, um ihre Grundlinien aus christlicher Soziallehre, Bewahrung der Schöpfung und Balance des Machbaren anwenden zu können, sagte Brok weiter. Zum Beispiel werde in der Frage von kommunalen oder kirchlichen Kindergärten nicht mehr hart genug gerungen. Auch außenpolitisch bliebe Menschrechtspolitik zu oft auf der Erklärungsebene hängen, ohne am Ende auch durchgesetzt zu werden.
Zur Wahrung der SPD-Grundlinien reicht nach Angaben von Beck die derzeitige Steuerlastquote nicht aus. Verschuldung und die öffentliche Finanzsituation könnten »so nicht weiter fortgeschrieben werden«. Deshalb dürfe es nicht bei der niedrigen deutschen Steuerlastquote bleiben. Das Gemeinwesen habe für Aufgaben wie Bildung und innere Sicherheit Anspruch auf einen »angemessenen Anteil« am Volkseinkommen, betonte Beck. Gleichwohl müsse weiter hart gespart werden.
Beck warb für das Leitbild des vorsorgenden Sozialstaates. In seiner ersten Grundsatzrede als designierter SPD-Chef in Berlin suchte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident den Schulterschluss mit den Gewerkschaften, denen er zusicherte, dass es keine Einschnitte bei der betrieblichen Mitbestimmung geben werde.
Als Kernelement der Leitsätze für ein neues Grundsatzprogramm wird der vorsorgende Sozialstaat genannt, der weniger durch Sozialbeiträge, dafür aber zu einem größeren Anteil über Steuern finanziert sein müsse. Ein fairer Zugang zu Bildungschancen sei ebenso Teil eines vorsorgenden Sozialstaats wie die Herausforderung, dass Ältere mit Jüngeren barrierefrei zusammenleben könnten, sagte Beck. Dazu gehöre auch, die Fähigkeiten Älterer in die Gesellschaft einzubringen. Man dürfe sich nicht damit abfinden, dass über 50-Jährige nur noch eine Entscheidung träfen, »nämlich die von Zahnpasta zu Kukident«.
Beck warb für das Konzept einer Bürgergesellschaft. Er sprach sich dafür aus, dass der Staat Menschen in Notlagen helfe. Zur Solidarität gehöre aber auch, dass die Hilfebedürftigen den ihnen möglichen Anteil selbst erbrächten. Die Politik ermahnte er, ihre Botschaften verständlich zu machen.

Artikel vom 25.04.2006