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Gericht erklärt Prodi zum Wahlsieger

Einsprüche Berlusconis abgewiesen - weitere Überprüfungen gefordert

Rom (dpa). Oppositionschef Romano Prodi ist Wahlsieger in Italien: Neun Tage nach der Parlamentswahl hat das oberste Gericht gestern dem Mitte-Links-Bündnis des 66-Jährigen eine knappe Mehrheit zugesprochen.

Demnach gewann Prodi in der Abgeordnetenkammer mit 24 755 Stimmen Vorsprung vor dem Parteienbündnis von Ministerpräsident Silvio Berlusconi. »Die Italiener haben jetzt keinen Zweifel mehr an unserem Sieg«, sagte Prodi gestern Abend. Nun wolle er rasch eine »starke Regierung« bilden. Berlusconi wollte aber zunächst seine Niederlage nicht öffentlich anerkennen.
Dem Urteil des Kassationsgerichts war ein über einwöchiges bitteres Tauziehen zwischen den Parteienlagern vorausgegangen, bei dem Berlusconi auch von »Wahlbetrug« gesprochen hatte. Die Richter wiesen aber alle Einsprüche aus dem Regierungslager zurück. Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Prodi, der bereits von 1996 bis 1998 Regierungschef in Rom war, warb auch um das Vertrauen der Berlusconi-Wähler. »Es ist eine Regel der Demokratie, dass der Sieger das Recht und die Pflicht zum Regieren hat«, fügte er hinzu.
Unterdessen machte Wirtschaftsminister Giulio Tremonti deutlich, dass das Mitte-Rechts-Bündnis die Entscheidung des Kassationsgerichts nicht akzeptieren wolle. Er forderte weitere Überprüfungen des Ergebnisses, weil es »wesentliche Unregelmäßigkeiten« gebe. Trotz des Urteils könne das neu gewählte Parlament die Ergebnisse nochmals erörtern, sagte der Minister.
»Endlich ist der Wahl-Streit zu Ende«, sagte Prodi. Nun erwarte er einen Anruf des Regierungschefs: »Ich warte, ich warte, ich warte.«
Kurz bevor das oberste Gericht gestern Abend den Wahlsieg Prodis bestätigte, forderte Sandro Bondi, Sprecher von Berlusconis Partei Forza Italia, Silvio Berlusconi zum Staatspräsidenten zu wählen. Dies würde zu einem »institutionellen Gleichgewicht« im Land führen, falls Oppositonschef Romano Prodi Regierungschef in Rom werde.
Aus den Koalitionsparteien Berlusconis gab es schon erste Glückwünsche für Prodi. Der Generalsekretär der italienischen Zentrumspartei UDC, Lorenzo Cesa, gratulierte ihm zum Wahlsieg. Der christdemokratische Politiker aus der Koalition von Berlusconi wünschte Prodi »im Interesse Italiens und der Italiener« viel Glück bei seiner Arbeit.
Dem obersten Gericht zufolge hat das Mitte-Links-Bündnis »Unione« mit hauchdünnem Vorsprung vor der Mitte-Rechts-Allianz »Casa delle Libertà« (Haus der Freiheiten) gewonnen: Prodis Lager erhielt in der Abgeordnetenkammer 19 002 598 Stimmen, gegenüber 18 977 843 Stimmen für die Rechte. Im Senat, wo ein anderes Zählverfahren angewandt wird, stand bereits im Vorfeld fest, dass Prodi wenige Sitze mehr errungen hatte.
Bereits kurz nach dem Wahlgang (9./10. April) hatte das Innenministerium der Prodi-Allianz eine knappe Mehrheit in beiden Parlamentskammern zugesprochen. Die genaue Sitzverteilung in beiden Kammern soll erst Anfang nächster Woche bekannt gegeben werden.

Artikel vom 20.04.2006