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»Wir spielen schönen Fußball«

WM-Paten (Folge 20): José A. Garrido Mira sieht Spanien im Halbfinale

Von Maike Stahl
und Wolfram Brucks (Foto)
Schlangen (WB). Die »7« ist seine Zahl. Ohne die geht nichts, was mit Fußball zu tun hat - sei es auf dem Platz, auf der Tribüne oder vor dem Fernseher. Während José Antonio Garrido Mira auf dem Platz in sein eigenes Trikot schlüpft, hat er als Zuschauer die Wahl zwischen »Raúl« Gonzalez Blanco und Mehmet Scholl. Denn das Herz des Spaniers schlägt sowohl für Real Madrid als auch für Bayern München.

»Deshalb werde ich bei der Weltmeisterschaft auch erst einmal Deutschland und Spanien die Daumen drücken«, kündigt der 34-Jährige an, überlegt kurz und lächelt: »Na ja, Spanien vielleicht ein bisschen mehr.«
Sollten die beiden Teams jedoch aufeinandertreffen, was frühestens im Halbfinale passieren kann, dann ist die Sache für José A. Garrido Mira klar. »Dann muss Spanien gewinnen, allein schon damit auch mein Schwager merkt, dass wir guten Fußball spielen«, sagt er und schmunzelt. »Aber das wird er vielleicht auch schon vorher sehen.« Denn die Einschätzung des Spaniers ist eindeutig: Deutschland traut er zwar zu, die Vorrunde zu schaffen, mehr aber nicht. Spanien sieht er dagegen - »wenn es einigermaßen läuft« - im Halbfinale, und dann sei alles möglich.
Dann werde er auch nach Lippstadt in eines der spanischen Vereinslokale fahren, um die Spiele zu verfolgen. »Die Stimmung dort ist einfach unglaublich, Spanier feiern ganz anders als Deutsche«, meint er. Deshalb habe er auch nie in Erwägung gezogen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, obwohl er als jüngstes Kind in Lippstadt geboren wurde, wohin die Eltern kurz zuvor von La Coruña aus übergesiedelt waren. »Ich fühle mich als Spanier, und bin genauso stur und temperamentvoll. Das bekommt man nicht raus«, räumt Garrido Mira offen ein, meint aber auch, dass er schon ein bisschen ruhiger geworden sei. In Spanien gelebt hat der 34-Jährige außerhalb eines langen Sommerurlaubs bei der Verwandschaft nur als Kleinkind, seine Eltern sind inzwischen in ihre Heimat zurückgekehrt.
»Wenn wir telefonieren, ist Fußball natürlich auch immer ein Thema«, berichtet er. Auf Spanisch allerdings, denn zu Hause sei immer nur in der Muttersprache gesprochen worden. »Ich musste neben der deutschen Realschule auch noch den spanischen Schulabschluss machen. Damals war ich sauer auf meine Eltern, weil ich neben Schule und Fußball eigentlich gar keine Freizeit mehr hatte. Heute bin ich aber froh, dass ich beide Sprachen perfekt beherrsche.«
Nach Schlangen gekommen ist José A. Garrido Mira vor sieben Jahren seiner Frau Simone zuliebe. Damit begann für ihn auch sportlich ein neuer Abschnitt. Nachdem er in Lippsptadt bis zu einem Kreuzbandriss Verbandsliga gespielt und dann noch zehn Jahre Geseke in der Landesliga im offensiven Mittelfeld unterstützt hatte, wechselte er in Schlangen zum TSV Kohlstädt in die Kreisliga A. Inzwischen ist Garrido Mira in der fünften Saison Spielertrainer des TSV, der mit ihm in die Bezirksliga aufgestiegen ist.
»In diesem Umfeld werde ich natürlich häufig aufgezogen, zumal Spanien auch die Qualifikation nicht so souverän geschafft hat, wie alle erwartet hätten«, erzählt der Fußballer. »Aber die Spanier spielen schönen Fußball, die sind technisch weiter.«
Akzente will José Antonio Garrido Mira während der Weltmeisterschaft im Dorf auf jeden Fall setzen. Einen Fahnenmast hat er schon besorgt, die spanische Nationalflagge wartet darauf gehisst zu werden. »Obwohl meine Frau ebenfalls sehr fußballinteressiert und begeistert von Spanien ist, hatte sie dafür allerdings wenig Verständnis«, gibt er zu. »Aber Spanier sind eben noch ein bisschen fanatischer in Bezug auf Fußball.«

Artikel vom 27.04.2006