21.04.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Politik nickt alles Soziale einfach ab


Zu dem Streit um das Projekt einer Tierpension schreibt dieser Leser:
Bei der Lektüre des Artikels beschleicht den Leser allgemeines Unverständnis. Da eilt ein Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales herbei, um der Aids-Hilfe Schützenhilfe bei der Präsentation des verkorksten Projektes Tierpension zu leisten.
Da erfahren die auf unterer Ebene agierenden Kommunalpolitiker von einem Bürokraten hohen Ranges, wie die Förderung von angeblich wichtigen sozialpolitischen Vorhaben funktioniert.
Erst stellt man Geld in nicht unbeträchtlicher Höhe zur Verfügung und dann überlegt man sich vielleicht, ob das Projekt in der Praxis überhaupt umsetzbar ist. Stößt man dann auf nicht unerhebliche Probleme, wie die bei einer Tierpension allein in Sachen Lärm und Umwelt zwangsläufig sind, mahnt das Ministerium ein zügiges Verfahren an.
Dabei wird vollkommen außer acht gelassen, dass nach dem Prinzip der Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit auch Rechte Dritter, nämlich die des Bürgers Rogat und seiner Familie betroffen sind. Im übrigen sollte sich auch diese Regierungsstelle an die Grundsätze der Zuständigkeiten halten. Die liegen hier eindeutig bei den Kommunalbehörden.
In der Privatwirtschaft funktioniert das anders. Dort kennt man zur Unterstützung das Instrument des Sponsoring, wobei Projekte penibel nach Effizienz- und Machbarkeitskriterien beurteilt und auch notfalls vor Geldfluss gekippt werden. Letzteres geht leider in der Sozialwirtschaft nicht, da man seinen Anspruch nicht verlieren will, auch aus dubiosen EU-Sozialfonds Gelder zu beziehen, die man ja schließlich vorher selbst eingezahlt hat.
Diese Lektion haben dann auch die Ortspolitiker verstanden und bekunden vollmundig und einmütig ihre Solidarität mit dem Projekt Tierpension als sozialpolitisch begrüßenswert, obwohl sich die Politik bei diesem Thema doch voll und ganz raushalten wollte.
Auch hier fällt kein Wort in Richtung der betroffenen Familie Rogat. Kennen unsere bezirklichen Volksvertreter nur die Minimalregel der Demokratie, ist ein Pflichtbesuch bei den Rogats angesagt.
Die haben nämlich die Auswirkungen der etwaigen Tierpension 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr zu ertragen, während Sozialarbeiter, Projektangehörige und sonstige Menschen, die zum Beispiel über Gehälter an den Fördermitteln beteiligt sind, nach einem überschaubaren Arbeitstag in die Ruhe flüchten können.
Ein Highlight politischer Argumentation erfährt der Leser dann noch mit dem Ausspruch: Dass Aids-Kranke in der Tierpension arbeiten werden, sollte man überhaupt nicht erwähnen, um die Bürger nicht zu beunruhigen.
Hier geht es doch nicht um die Kritik an Aids-Kranken, sondern darum, dass politische Transparenz gezeigt wird.
Sind wir soweit, dass wir jedes Vorhaben, das sozial bedeutsam erscheint, bedenkenlos abnicken, oder dass soziale Vereinigungen ohne Ausnahme mit einem Heiligenschein versehen sind? Sollte das so sein, kann man nur sagen: Armes Deutschland, arme Familie Rogat.
MARTIN OHLMEIER33699 Bielefeld

Artikel vom 21.04.2006