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Eine Blondine
mit Arbeitsmoral

Der Aufstieg der Anna-Lena Grönefeld

Von Oliver Kreth
Ettenheim (WB). Auch ein Jetlag bremst ihre Arbeitsmoral nicht. Anna-Lena Grönefeld war noch nicht ganz aus dem Flieger geklettert, da kleidete sie Rafael Font de Mora in eine schicke Gewichtsweste und schickte sie auf den roten Sand der Tennisanlage des TC Rust.

Stillstand ist Rückschritt, und Arbeit ist ihr Lieblingswort. Die 20-Jährige ist eine würdige Nachfolgerin ihres Idols Stefanie Graf. Genau wie die Brühlerin ordnet die ebenso langbeinige Blondine aus Nordhorn dem Erfolg alles unter. Das Erreichte gibt ihr Recht. Mittlerweile ist sie auf Rang 14 der Tennisweltrangliste angekommen. Grönefeld: »Das ist toll. Schließlich hatten wir den Sprung unter die Topp 20 erst für Ende 2006 angepeilt.«
Sie übt sich allerdings auch in Bescheidenheit. Fragen, wann sie sich denn unter die besten Zehn der Welt spielen würde, wiegelt sie ab: »Auf diesem Niveau ist jetzt jeder Schritt doppelt schwer. Ich versuche, beständig Spielerinnen unter den Top Ten zu schlagen. Denn was mir wirklich noch fehlt zur absoluten Weltklasse, ist die Konstanz. Daran muss ich noch arbeiten.«
Dieser Ehrgeiz wird vom Deutschen Tennis-Bund, dem niedersächsischen Tennisverband und ihrem Ausrüster unterstützt. Die finanzieren ihren Aufenthalt in den USA, wo sie von Font de Mora trainiert und gemanagt wird. Ein echtes Vertrauensverhältnis. Grönefeld: »Anders kann man auch nicht so intensiv zusammenarbeiten. Wenn da keine gemeinsam Basis ist, funktioniert es nicht.« 25 Turniere spielt Grönefeld mindestens dieses Jahr, dazu noch Training - da muss die Stimmung zwischen Spieler und Coach stimmen.
International bekannt wurde die Nordhornerin (»Das letzte Mal war ich Weihnachten zu Hause«) durch eine ihrer Doppel-Partnerin. Die große alte Dame des Tennis, Martina Navratilova, hatte zum Spiel gebeten. Es war ein erfolgreiches Duo: Die Beiden standen 2005 im Halbfinale der US Open und in Wimbledon. Überhaupt: Zu zweit fühlt sich die Hobby-Hand- und Basketballerin noch wohler auf dem Tennisplatz. Mit Meghan Shaughnessy spielte sie sich dieses Jahr ins dritte Grand-Slam-Halbfinale (Australian Open). Doch auch diese Zusammenarbeit ist beendet. Ihre neue Doppelpartnerin heißt Nadja Petrova. Eine Paarung mit Erfolgsgarantie. Die Russin ist die aktuelle Nummer 5 der Einzel-Weltrangliste, Grönefeld die Nummer 7 im Doppel. Doch ihr Top-Ereignis in diesem Jahr sind die French Open in Paris. Grönefeld: »Da will ich besonders weit kommen.«
Aber auch im Fed Cup setzt sie sich hohe Ziele. An diesem Wochenende führt sie das Team in Ettenheim gegen die USA an, spielt zum Auftakt gegen Jemea Jackson. Das Halbfinale ist das Ziel, schließlich tritt das Team aus ihrer Wahlheimat mit »no-names« an. Probleme, die Nummer 1 zu sein, hat die 1,80 Meter große Blondine nicht: »Das kenne ich doch von der Tour. Da hat man bei jedem Spiel Druck.« Doch man merkte ihr im Europapark, dort wohnen die Spielerinnen, an, dass sie durchaus eine gute und lockere Stimmung genießt. Verantwortlich dafür ist der Kapitän. Barbara Rittner schafft den Spagat zwischen Chef und Stimmungskanone. Und manchmal huscht auch ein Lächeln über das Gesicht von Anna-Lena.
Was ihr - neben einer gewissen Lockerheit - noch fehlt, ist ein großer internationaler Einzelerfolg. Dann ist der Weg auch frei für den großen finanziellen Erfolg. Denn diese Kombination wäre unschlagbar: Eine langbeinige Blondine mit Arbeitsmoral, die sportlich erfolgreich ist. Das erinnert schon sehr an Stefanie Graf. Auch wenn Anna-Lena Grönefeld diesen Vergleich als absolut vermessen bezeichnen würde.

Artikel vom 22.04.2006