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Immer mehr Kaiserschnitte

Sektio-Anteil ist seit 1994 von 17 auf 27 Prozent gestiegen

Von Wolfgang Schäffer
Bielefeld/Wiesbaden (WB). In Deutschland kommen immer weniger Kinder zur Welt. Dafür aber steigt bei den Geburten die Zahl der Kaiserschnittentbindungen kräftig.
»Normale« Geburten werden seltener.

Wurden in deutschen Krankenhäusern 1994 noch 131 351 Entbindungen mit Kaiserschnitt (Sektio) gezählt, waren es zehn Jahre später bereits 183 122. Da im selben Zeitraum die Zahl der Geburten von 757 693 auf 682 767 zurückging, erhöhte sich der Sektio-Anteil von ehemals 17 auf nun 27 Prozent.
Die Gründe dafür, dass etwa jede vierte Frau ihr Kind nicht auf natürlichem Weg zur Welt bringt, sind vielfältig. Unterschieden werden muss dabei generell zwischen einer medizinischen Notwendigkeit und dem »Kaiserschnitt auf Wunsch«. Hier entscheidet einzig und allein der Wunsch der Mutter, die Entbindung auf diese Art zu vollziehen. Angst vor Geburtsschmerzen, die planbare Anwesenheit von Fachärzten, größtmögliche Sicherheit für das Baby und - in Einzelfällen - auch spezielle Geburtstage spielen hier eine Rolle.
Maria Lange-Ernst, Sprecherin des Berufsverbandes der Frauenärzte, weist zudem auf die »immer älter werdenden Erstmütter« hin. »Nach Risikoschwangerschaften will man bei der Geburt jedes Risiko ausschließen.« Das betont auch der Bielefelder Gynäkologe Michael Wojcinski ausdrücklich. Der stellvertretende Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte in Westfalen-Lippe spricht von einer »juristischen Falle«, in die keiner seiner Kollegen tappen möchte. »Wenn ein Baby nach der Geburt nicht gesund ist, wird immer schnell nach einem Fehler bei der Geburt gesucht.«
Trete so etwas bei einer »spontanen Entbindung« auf, hätten häufig die Juristen das Wort. Vor allem dann, wenn vorher lange über eine Sektio nachgedacht, diese aber nach der Diskussion mit dem Arzt verworfen worden sei. Grundsätzlich rät Wojcinski werdenden Müttern, auf einen Kaiserschnitt zu verzichten, wenn keine medizinischen Indikationen vorlägen. »Angst vor der Geburt und den Schmerzen sollten keine Gründe dafür sein.«
Das unterstreicht auch die Sprecherin des Deutschen Hebammen-Verbandes, Edith Wolber. Sie sieht in der Entwicklung hin zu mehr und mehr »Wunsch-Kaiserschnitten« eine Katastrophe. Das Baby werde dabei oft zu früh und zu schnell aus der schützenden Umgebung des Körpers der Mutter herausgeholt. Meist sei die hormonelle Veränderung bei der Frau direkt vor der Geburt noch nicht eingetreten. Das wiederum könne Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Studien hätten gezeigt, dass so geborene Babys später Auffälligkeiten (wie hyperaktiv und zappelig) zeigten. Psychologen führen das auf ein Geburts-Trauma zurück. Seite 4: Hintergrund

Artikel vom 22.04.2006