19.04.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Modernstes Werk kennt
alle Sprachen Europas

Oetker: Bei Backartikel und Dessert sind alle »Millionäre«

Von Michael Diekmann
und Carsten Borgmeier (Fotos)
Bielefeld (WB). Wenn das der Firmengründer sähe: In Milli-Sekunden fliegen die Tüten mit dem Puddingklassiker über die Rollenbahn. 450 Einzelbeutel pro Minute oder 200 Millionen pro Jahr - das ist Rekord.

In Bielefeld lässt Dr. Oetker nicht nur entwickeln, sondern auch mischen und verpacken, was über Auslandsgesellschaften in Küchen und Haushalte in West- und Osteuropa verkauft wird - mit immer neuen Umsatzzuwächsen, immer neuen Rezepturen und Variationen. Dabei leben im »Werk Brackwede«, wie der Bielefelder Betrieb offiziell heißt, 700 Mitarbeiter täglich in zwei Schichten, was sich Fußballdeutschland gerade mühsam zu erarbeiten versucht: Die Welt zu Gast bei Freunden. Oetker ist multikulturell und vielsprachig wie eine ganze Bibliothek.
»Gut 53 Prozent des Umsatzes werden im Ausland erwirtschaftet«, erklärt Betriebsleiter Dr. Ralph Berninger und startet ein Feuerwerk der Superlative. Seit Mitte der Sechziger Jahre wuchs der Produktionsstandort zwischen Spinnerei Vorwärts und Bahnlinie. Und seit Ende der Neunziger Jahre die eigene Verpackungsfertigung endgültig eingestellt wurde, gab es Platz für eine der effektivsten und modernsten Abfüllstätten in ganz Europa. Der Blick über die Schulter von Peter Pries fasziniert. Der Steuerstand der Fabrik mit Großbildschirmen und sechs Flachmonitoren zeigt dem Schichtführer, was in den gesamten Abfüllstraßen, beim Kollegen Roboter und im Palettentunnel wie von Geisterhand auf Millisekunde genau über die Bühne geht. »Witterungsabhängige Fahrten ins Hochregal gibt es nicht mehr«, freut sich Otto Clüsener, also auch kein Schneeschieben. Die 60 Karton Topfenstrudel für Österreich reisen selbstständig über 1000 Rollen ins Depot - nur das Scanneretikett weiß wohin.
Betriebsleiter Berninger hat derweil seinen Spaß mit der sprachlichen Vielfalt, die hinter 800 Einzelartikeln von der Backmischung über Einmachhilfe bis zum Vanillezucker stehen.
Wer weiß denn, dass Holländer »Klopfix« sagen, wenn sie Sahnesteif meinen oder Frambozen für Himbeer. Österreicher bestehen auf »Germ« für Hefe und »Topfen« für Quark. Dabei sind Tüten, Einheiten und Größen für jedes Land und jede Hausfrau anders. Aber immer ist Qualität das beste Rezept. Das gilt für Otto Clüsener (Geschäftsleitung) ganz besonders auch für Art und Ausstattung des Produktionsstandortes: Das Zusammenspiel von historischer Verpflichtung und modernster Technik ist einzigartig. Clüsener: »Ohne High-Tech würde es wohl eng für deutsche Werke im internationalen Vergleich.«

Artikel vom 19.04.2006