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Kampf den Fälscherbanden

Mittelstand wehrt sich gegen Chinas Produktpiraten

Bielefeld/Münster (WB/ef/dpa). Als Jens Röttgering kürzlich einen Anruf von der Mittelmeerinsel Malta erhielt, traute er seinen Ohren nicht. Zwei Containerschiffe waren im Hafen von La Valetta dem Zoll in die Hände gefallen. Die Schiffe hatten auf dem Weg von China nach Marokko in Malta fest gemacht. An Bord hatten sie Kraftstofffilter der Marke Hengst, weit mehr als 200000 Stück - aber alles Fälschungen.
Kraftstofffilter von Hengst: links das Original, rechts die Fälschung. Foto: Hengst GmbH

»Das ist unsere komplette Jahresproduktion dieser Teile«, sagt Jens Röttgering, geschäftsführender Gesellschafter des mittelständischen Industrieunternehmens Hengst Filter aus Münster. Sein Pech: Die Filter kamen nicht aus seinen Fabrikhallen, sondern aus Fälscherwerkstätten in China. Sein Glück: Die Fälscher wurden in diesem Fall erwischt.
Nicht jeder deutsche Unternehmer hat so viel Glück. Die deutsche Wirtschaft erleidet jedes Jahr Millionenverluste durch Produktpiraterie. Von Polo-Hemden bis zu Kosmetikartikeln, von Armbanduhren bis hin zu aufwendigen Industrieteilen reicht die Palette der gefälschen Objekte.
Auch die Wirtschaft in Ostwestfalen-Lippe ist von der Produktpiraterie betroffen. Inzwischen verfügen gut 40 Unternehmen aus der Region OWL über eigene Fertigungsstätten im Reich der Mitte. Natürlich sind sie darum bemüht, nicht zu viel Know-how preiszugeben, womit sie den Fälscherbanden in die Hände spielen würden.
»China ist das Fälschungsland Nummer eins«, beklagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben. Gefälschte Artikel erreichten weltweit inzwischen einen Marktwert von 300 Milliarden Euro, schätzt er. China müsse schleunigst den Rückwärtsgang einlegen, sonst würden internationale Investoren dem aufstrebenden Land den Rücken kehren.
Schon treten große internationale Konzerne leicht auf die Bremse, was ihren einst angekündigten Aufbruch ins Reich der Mitte angeht. Der Chef von Europas größtem Medienkonzern Bertelsmann, Gunter Thielen, etwa sagt, es gehe in China alles viel langsamer voran, als man noch vor ein paar Jahren erwartet hatte. Auf die Frage warum, antwortet er: »Weil sie alles kopieren - alles.«
Die Gefahr von Fälschungen hält viele Unternehmer davon ab, sich in China zu engagieren, sagt Harald Grefe, Wirtschaftsexperte bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen zu Bielefeld. Aus Sicht von Jens Röttgering ist vor allem der Mittelstand betroffen. Firmen wie seine, mit 1200 Beschäftigten und 170 Millionen Euro Jahresumsatz, können sich keine großen Rechtsabteilungen leisten. Den professionell agierenden Fälscherbanden stehen sie machtlos gegenüber.

Artikel vom 19.04.2006