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Reaktor braucht neuen Schutzmantel

Eine Milliarde Euro teure Kuppel soll über die Ruine geschoben werden

Von Andrej Sokolow
Moskau (dpa). Tschernobyl ist noch lange nicht ausgestanden. Unter dem akut einsturzgefährdeten Betonmantel lauert in den Ruinen des zerstörten Reaktors auch 20 Jahre nach dem schlimmsten Unfall der Atomenergie der Tod.

Eine bis zu eine Milliarde Euro teure gigantische Kuppel aus Stahl soll nun Abhilfe schaffen - allerdings wird auch sie höchstens 100 Jahre halten.
Das Schlimme ist: Niemand weiß exakt, wie der Zustand des Schutzmantels ist und was genau hinter der mehrere Meter dicken Betonschicht schlummert. Die immer noch extrem hohe Radioaktivität lässt keine Untersuchungen zu. In vielen Bereichen würde ein Mensch sofort eine tödliche Strahlendosis abbekommen.
Zum Zeitpunkt des Unfalls am 26. April 1986 enthielt der vierte Reaktorblock mehr als 1600 Brennelemente mit 190 Tonnen Kernbrennstoff. Wie viel davon bei der gewaltigen Explosion hoch in die Luft geschleudert wurde, darüber wird bis heute gestritten - die Schätzungen reichen von 3 bis 95 Prozent.
Dass der aktuelle Betonmantel unsicher ist, verwundert nicht. Er wurde unmittelbar nach dem Unfall gebaut, unter denkbar schlechten Bedingungen. Die Strahlung aus der Reaktor-Ruine war so hoch, dass die Menschen teilweise nur eine Minute am Stück arbeiten konnten.
Außerdem stützt sich die Konstruktion an vielen Stellen auf die Ruine des Reaktorblocks, von der keiner weiß, wie stabil sie ist.
Bei der neuen Schutzhülle sollen alte Fehler vermieden werden. Die gewaltige, 120 Meter hohe Konstruktion soll in zwei Teilen neben dem Unglücksreaktor montiert und dann zusammengeschoben werden. Wegen der hohen Strahlung wäre ein Aufbau direkt über dem alten Sarkophag unmöglich.
Irgendwann 2008 bis 2010 soll die Kuppel stehen, die Kosten werden auf eine Milliarde Euro geschätzt, davon sind von Geberländern aber erst knapp 700 Millionen Euro locker gemacht worden.

Artikel vom 19.04.2006