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Prüfungsfach »Unternehmer«

Handwerk setzt neue Schwerpunkte in der Meisterprüfung -ÊOWL vorn

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Früher war der Meister vor allem eines: in seinem Fachgebiet perfekt. Heute ist es wichtiger, das unternehmerische »Handwerkszeug« zu beherrschen. Fachlich muss auch ein Meister sich lebenslang weiterbilden.

Diese Erkenntnis aus Politik und Wirtschaftsleben findet neuerdings in geänderten Berufsbildern und Prüfungsordnungen des Handwerks ihren Niederschlag. Gerade hat die Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe die ersten neun Maler- und Lackierermeister nach den geänderten, im Oktober 2005 im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Kriterien abgeprüft - als erste Kammer in ganz Nordrhein-Westfalen.
»Schon vom Gesellen wird heute erwartet, dass er nicht nur malocht, sondern seine Arbeit selbstständig organisiert«, berichtet Michael Wörmann, Leiter des Bereichs Meister- und Fortbildungsprüfungen am Handwerkerbildungszentrum (HBZ) in Bielefeld. Dies setze sich bei der Meisterprüfung fort, bei der betriebswirtschaftliche Kenntnisse einschließlich Marketing, Ausschreibung, Kommunikation, Qualitätsmanagement und Controlling nun einen viel größeren Stellenwert haben.
Kundenorientierung und ganzheitliches Denken, für manchen alten Handwerksmeister noch Fremdworte, sind unverzichtbar geworden. Beispiel Maler: Der Kunde erwartet, dass der Meister Vorschläge macht, wie ein Raum ansprechend gestaltet werden kann. Wer sich nicht genau genug nach den Wünschen des Auftragsgebers erkundigt, riskiert zudem Reklamationen - und damit den Verlust seines Gewinns.
Der frühere praktische Teil der Prüfung, heute unter dem bürokratischen Namen »Prüfung der meisterlichen Verrichtung der wesentlichen Tätigkeiten« zusammengefasst, ist Wörmann zufolge dagegen wesentlich verkürzt worden. Dabei wurden beispielsweise beim Maler vier Schwerpunktbereiche gebildet: Gestaltung und Instandhaltung, Kirchenmalerei und Denkmalpflege, Bauten- und Korrosionsschutz sowie Fahrzeuglackierung. Geprüft wird anders als früher nur noch einer der Bereiche. Trotzdem kann sich ein Malermeister, der sich beispielsweise auf Denkmalpflege spezialisierte, später auch im Bereich Fahrzeuglackierung selbstständig machen. Wörmann sieht darin keinen Nachteil für die Verbraucher: »Das Wissen in einem Fachbereich ändert sich ohnehin so sehr, dass das Wissen eines Meisters, der sich nicht weitergebildet hat, schon bisher nach drei Jahren zum großen Teil veraltet war.«
Die gesetzlichen Grundlagen für die neue Art der Meisterprüfungen liegen bisher für 15 Ausbildungsberufe vor. Weitere folgen im kurzen Abstand. Die Kammern haben die Möglichkeit, Übergangsregelungen in Anspruch zu nehmen. »Weil aber die neue Prüfungsordnung viel mehr als die alte auf die Arbeit als Unternehmer vorbereitet, ist es besser, mit der Einführung nicht zu lange zu warten«, meint Wörmann. Schließlich konkurrieren Handwerker heute vielfach mit Wettbewerbern, die überhaupt keine Meisterprüfung abgelegt haben.

Artikel vom 19.04.2006