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In die Tonne - oder ins Finale

Die Schalker Saison-Aussichten nach dem 0:0 gegen den FC Sevilla

Von Klaus Lükewille
Gelsenkirchen (WB). Kein Tor geschossen, aber auch kein Tor kassiert. Also noch nichts passiert. So sieht es jedenfalls Mirko Slomka. Der Trainer des FC Schalke 04 ist fest davon überzeugt, dass seine Mannschaft nach dem 0:0 gegen den FC Sevilla das UEFA-Cup-Endspiel erreichen wird.

Diese finale Partie findet am 10. Mai in Eindhoven statt. Dort, wo die internationale Saison-Reise der Königsblauen begann. Damals, als sie noch in der Champions-League mitmischen durften, verloren sie hier im September 2005 gegen den PSV mit 0:1. Die Königsklasse ist längst abgehakt, im DFB-Pokal gab es das bittere 0:6 in Frankfurt und in der Liga droht Platz vier.
»Das wird sehr wahrscheinlich eine Serie, die wir in die Tonne treten können«, befürchtet Manager Rudi Assauer. Doch Slomka glaubt an den UEFA-Cup-Triumph: »Wir sind in der Lage, in Sevilla das entscheidende Tor zu schießen.« Und die Endspiel-Aufgabe von Eindhoven, die müsste dann ebenfalls lösbar sein. Hier wartet entweder Steaua Bukarest oder der FC Middlesbrough. Die Rumänen setzten sich im Heimspiel mit 1:0 durch.
Dieses eine Tor schafften die Schalker vor eigenem Publikum nicht. »Schade, wir hätten den Sieg verdient gehabt«, sagte Slomka, der schon nach einer halben Stunde seinem zunächst verbannten Regisseur Lincoln das Einsatzkommando gab: »Da habe ich ihn informiert: Ich bringe dich nach der Pause.« Auch Kevin Kuranyi, wegen Formschwäche ebenfalls beim Anpfiff nur zweite Wahl, durfte ab Minute 66 mitstürmen. Gereicht hat es trotzdem nicht, dennoch lobte der Trainer seine Mannschaft: »Wir haben sehr engagiert gespielt. Vor allem Lincoln, der wichtige Akzente setzte und immer wieder den Abschluss suchte. Auch Kuranyi hat seine Sache prima gemacht.«
Was im Fall Lincoln stimmte, bei Kuranyi aber stark übertrieben war. Das Slomka-Rezept: weiche Welle nach harten Worten. Die Stars, die also nur für kurze Zeit ausgemustert wurden, sollen am Sonntag beim Liga-Duell in Bremen wieder erste Wahl sein. Da muss dann unbedingt ein »Dreier« her, sonst ist der Champions-League-Zug endgültig weg.
Ein Konkurrent hat die Personal-Querelen auf Schalke genau beobachtet und schon reagiert. Wenn die mit Lincoln Probleme haben - dann holen wir den eben. Der FC Bayern kündigte Interesse an, doch Manager Andreas Müller blockte ab: »Lincoln hat einen Vertrag bis 2008. Wir geben ihn auf keinen Fall frei und werden alles versuchen, das Verhältnis mit ihm wieder hinzukriegen.«
Leicht wird das nicht. Der Brasilianer gehört zu den besonders sensiblen Profis. Er ist bisher in seinen königsblauen Tagen nur gelobt worden. Finanzchef Josef Schnusenberg stellte sogar mit Blick nach oben fest: »Den Jungen hat uns der Himmel geschickt.«
Himmlisch waren die Vorstellungen der Schalker in den vergangenen Wochen allerdings nicht. Und es gab schon Fans, die den zuletzt oft lustlosen Lincoln am liebsten sofort zum »Teufel« gejagt hätten. Aber er soll bleiben - und die Elf am 27. Mai beim Rückspiel ins Finale von Eindhoven führen.
Mladen Krstajic, der nach einer Tätlichkeit »Rot« sah, wird dagegen fehlen. Und gerade einen harten Knochen wie ihn, den könnten sie da unten in Andalusien sehr gut gebrauchen.
Denn beim Mitternachts-Ball von Sevilla, der erst um 21.30 Uhr (ZDF) angepfiffen wird, dürfte es zur Sache gehen. Die Spanier sehen dem Duell sehr optimistisch entgegen und verweisen auf ihre stolze Bilanz: Im Pizjuan-Stadion haben sie noch kein internationales Spiel verloren. Aber Schalke würde ja schon ein Unentschieden reichen. 1:1, 2:2 oder 3:3 - und der Finalweg nach Eindhoven ist frei.

Artikel vom 22.04.2006