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Rafinha rennt und rackert

Schalkes Mann mit Zukunft: Deutsch-Lehrstunden nach der Rot-Lektion

Von Klaus Lükewille
Gelsenkirchen (WB). Rafael Ferreira dos Santos durfte in den letzten 180 Bundesliga-Minuten nur Zuschauer spielen. Aber heute um 20.30 Uhr, wenn es im UEFA-Cup-Halbfinale gegen den FC Sevilla geht, ist er wieder mit von der Partie.

Dann flitzt der Brasilianer, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Rafinha, für den FC Schalke 04 auf der rechten Außenbahn pausenlos rauf und runter. Die Liga-Sperre nach dem Platzverweis gegen den Hamburger SV ist abgesessen, im internationalen Wettbewerb hatte der Königsblaue ohnehin »grünes Licht«. Rafinha war auch schon vor zwei Wochen mit am Ball, als die Schalker gegen Levski Sofia in die Vorschlussrunde einzogen.
»Der Junge ist ein Riesentalent, ihm gehört die Zukunft«, sagt Trainer Mirko Slomka über den 19-jährigen Abwehrspieler. Eine Bewertung, die Manager Andreas Müller selbstverständlich sehr gern hört. Denn er war es, der die Verpflichtung von Rafinha im August 2005 fast im Alleingang durchsetzte. »Ich war mir sofort ganz sicher: Wir haben da einen dicken Fisch an der Angel«, sagte Müller damals. Ein teures Wechsel-Risiko: Der Neue kostete immerhin fünf Millionen Euro Ablöse.
Diesen Betrag zahlt Rafinha jetzt Schritt für Schritt zurück. Er rennt und rackert. Nach ein paar Kurzeinsätzen steht er seit dem 18. September in der Start-Mannschaft. So fest gesetzt besetzt Rafinha die rechte Spielfeldhälfte. »Er hat einen enormen Sprung nach vorn gemacht, er wird immer besser«, freute sich Slomka.
Die Begeisterung um den kämpferisch und technisch erstklassigen Südamerikaner hielt sich allerdings am 2. April in Grenzen: Da gingen Rafinha beim Duell gegen den Hamburger SV die Nerven durch. Er rannte nach einem Foul an Lincoln von der Außenlinie in die Mitte und verpasste Rafael van der Vaart eine Watschen.
Die Doppel-Quittung: Rot vom Schiedsrichter - und eine »Backpfeife« von seinem Förderer. Denn Müller stellte fest: »Der Platzverweis war in Ordnung. Die Hand von Rafinha hatte nichts im Gesicht von van der Vaart zu suchen. Hier muss er sich einfach besser beherrschen und da wegbleiben.«
Ein Mann sah Rot. Eine Szene, die zur Liga-Lehrzeit des stürmischen Brasilianers gehört, der vorher in 24 Einsätzen nur drei Gelbe Karten kassiert hatte. Lektionen außerhalb des Rasens werden ihm von seinem Landsmann Marcello Bordon verpasst. Der Libero redet mit Rafinha extra immer nur in deutscher Sprache. Denn hier hat der »Neue« noch ganz erhebliche Lücken.
Als Rafinha kürzlich in der Kneipe »Auf Schalke« bei einem Fan-Stammtisch gefeiert wurde, musste er kleinlaut gestehen: Sein Repertoire ist noch höchst dürftig. Es beschränkt sich bisher auf »Alles klar« und »Das gibt's doch gar nicht.« Das denkt auch Manager Müller, der streng kontrolliert, dass Rafinha seine Deutsch-Unterrichtsstunden einhält. Nicht nur die mit Bordon - sondern auch bei richtigen Lehrern.
Auf das gegenseitige Verständnis kommt es eben an. Doch beim Spiel geht das oft ohne viele Worte: Gute Fußballer sprechen halt sofort die gleiche »Sprache«. Aber die Schalker fordern schon, dass auch Rafinha möglichst schnell besser deutsch beherrscht.
Obwohl es schon Anfragen gab: Er soll ja noch lange ein »Königsblauer« bleiben. Der Vertrag läuft bis 2009. Und Rafinha gefällt es an seinem Arbeitsplatz im Revier. Beim Fan-Treff ließ er den Dolmetscher Manuel Martinez übersetzen: »Ich bin glücklich hier.« Denn neben der Arena hat Rafinha noch einen anderen »Spielplatz« entdeckt, den er schon oft besuchte: Gelsenkirchens Zoo.

Artikel vom 20.04.2006