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Horror-Szenario sieht
3400 Erdbeben-Tote

Wissenschaftliche Studie zu Gefahren in San Francisco

San Francisco (dpa). Ein starkes Erdbeben wie das von 1906 könnte im Raum San Francisco heute bis zu 3400 Menschen das Leben kosten.
Royal Raymond Beirne (102) zeigt ein Foto von sich im Alter von vier Jahren.

Mehr als 90 000 Gebäude würden beschädigt, 250 000 Wohnungen wären unbewohnbar. Der Sachschaden könnte 150 Milliarden Dollar betragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine wissenschaftliche Studie »When the Big One Strikes« (Wenn das große Beben kommt), die in der Westküstenstadt vorgestellt wurde. Anlässlich des 100. Jahrestages des schweren Erdstoßes vom 18. April 1906 treffen in dieser Woche bei einer internationalen Erdbeben- Tagung mehr als 2000 Wissenschaftler zusammen.
Der Bauingenieur Charles Kirchner bezeichnet in der Studie fünf Prozent der Gebäude im Raum San Francisco als einsturzgefährdet, darunter älteres Mauerwerk, das weder den neueren Bauauflagen entspricht noch nachträglich verstärkt wurde. Der Einsturz dieser Häuser würde die Hälfte der Todesopfer ausmachen. Durch das Beben der Stärke 7,9 und das nachfolgende Feuer waren 1906 schätzungsweise 3000 Menschen umgekommen. 28 000 Häuser stürzten ein und 250 000 Menschen wurden obdachlos.
Mit einem energischen »Nein« und gespielter Entrüstung weist Alma Pohlmeier die Frage »Haben sie Angst vor einem weiteren Beben?« zurück. Die 102-Jährige gehört zu den »Erdbeben-Überlebenden« von 1906. »Ich liebe es einfach, den Jahrestag zu feiern«, meint die alte Dame. Sie gibt aber bereitwillig zu, dass sie damals viel zu klein war, um sich heute als »Augenzeugin« an das große Beben zu erinnern. Pohlmeier zählt zu den noch verbliebenen Dutzend Männern und Frauen, die den verheerenden Erdstoß in San Francisco als Babys oder Kinder erlebten. Als »Earthquake-Celebrities« wird die ergraute Prominenz anlässlich des Jahrhundertjubiläums der Katastrophe groß gefeiert.
Frances Mae Duffy reiste eigens aus dem Nachbarstaat Oregon in ihre Heimatstadt. Natürlich ist die 101-Jährige im Morgengrauen des 18. April auf den Beinen. Nach alter Tradition wird um 5.12 Uhr, zum Zeitpunkt des Erdbebens, mit einer Schweigeminute der 3000 Menschen gedacht werden, die 1906 in den Trümmern ums Leben kamen. Schauplatz ist der historische Lotta-Brunnen in der Innenstadt von San Francisco, der das Beben schadlos überstand. Nach dem Moment des Gedenkens erklangen Kirchenglocken und Feuersirenen.
Mit 109 Jahren gilt Lucille Meyer als älteste Überlebende der Katastrophe. Sie war neun Jahre alt, als ihr Elternhaus in San Francisco in Flammen aufging. Sie erinnere sich noch gut, mag aber nicht darüber sprechen, erzählt die alte Dame am Telefon. Sie sei zu alt, um ihr Haus zu verlassen. Und zum Feiern sei ihr schon gar nicht zumute. »Ich mag keine Erdbeben und ich hoffe, dass ich kein Weiteres erleben werde.«
Einer Umfrage zufolge machen sich nur neun Prozent der Kalifornier »häufig Gedanken« über Erdbeben.

Artikel vom 19.04.2006