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»Um wieder mehr Einfluss in Nahost zu bekommen, scheut sich Russland nicht, Radikale zu stärken.«

Leitartikel
Lage in Nahost

Auftakt
zu neuer
Terrorwelle


Von Dirk Schröder
»Über unserer Region hängt eine dunkle Wolke, und sie wuchert immer weiter als Ergebnis der Erklärungen und Handlungen der Führungen des Irans, Syriens und der neu gewählten Palästinenser-Regierung.« Es ist keine Parteinahme, wenn man diese Äußerung des israelischen UN-Botschafter Dan Gillerman voll unterschreiben kann.
Es soll sicher nicht wegdiskutiert werden, dass das Verhalten Israels gegenüber den Palästinensern in der Vergangenheit vollkommen zu Recht häufig genug Anlass zu Kritik gegeben hat. Doch seit einiger Zeit war die Hoffnung durchaus berechtigt, dass der Frieden sich im Nahen Osten noch einen Weg bahnen könnte. Spätestens nach dem Tod Jassir Arafats, der häufig genug ein falsches Spiel spielte und dem Terror bis zuletzt nicht wirklich abgeschworen hat, gab es Signale für eine Verständigung, die zwar kein Miteinander bedeutet hätten, wohl aber die Hoffnung auf ein friedliches Nebeneinander nährten.
Doch der Selbstmordanschlag vom Ostermontag hat auch die größten Optimisten auf äußerst blutige Weise zurück in die Wirklichkeit geholt. Wer die Tötung unschuldiger Menschen als Selbstverteidigung deklariert, hat nichts verstanden. Wer noch obendrein ohne Skrupel junge Menschen fanatisiert und als Selbstmörder in den Tod schickt, ist nicht nur feige, er verdient zudem nur Abscheu. Wer will es den Israelis verdenken, dass sie sich nicht mit jemanden an den Tisch setzen wollen, der immerzu die Vernichtung Israels propagiert.
Zwar erkennt Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, dass aus derartigen Terroranschlägen nichts Gutes erwachsen kann. Doch er hat eben nicht mehr die Regierungsverantwortung. Die liegt in den Händen der Hamas, die immer noch glaubt, mit Terror und Gewalt ihre Ziele erreichen können.
Seit mehr als einem Jahr herrschte relative Ruhe. Mit dem Selbstmordanschlag vom Montag hat der mühsame Weg zum Frieden einen schweren Rückschlag erlitten. Die Bombe war nur der Auftakt zu einer neuen Terrorwelle, die sich so lange nicht stoppen lässt, wie Hamas sich nicht vom Terror lossagt. Damit ist aber vorerst nicht zu rechnen.
Wie es weitergeht? Israel hat seine Sicherheitskräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Ein Vergeltungsschlag ist nur eine Frage der Zeit, und der nächste Selbstmörder hat seine Bombenjacke schon wieder angezogen.
USA, EU und Japan haben vorerst ihre Gelder für die palästinensische Regierung gestoppt - man will den Terror nicht unterstützen. Doch dafür sind andere Geldgeber in die Bresche gesprungen. Beim Iran verwundert das nicht, ihr Präsident ist vom gleichen Kaliber wie die Hamas-Führung. Eigentlich sollte man sich auch nicht über Russland wundern. Um wieder mehr Einfluss in Nahost zu bekommen, scheut Moskau sich nicht, Radikale zu stärken. Auch wenn es dem Frieden schwer schadet.

Artikel vom 19.04.2006