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Film von Trauer und Tod

»Die Zeit die bleibt« des französischen Regisseurs François Ozon


Romain macht das Sterben ganz mit sich allein aus. »Ich glaube, niemand will es wissen«, sagt der 30-Jährige. Der Modefotograf hat kurz zuvor erfahren, dass er an einem Hirntumor leidet und nur noch kurze Zeit zu leben hat. Nach »Unter dem Sand« mit Charlotte Rampling macht der französische Regisseur François Ozon (»8 Frauen«, »Swimming Pool«) erneut Trauer und Tod zum Thema eines Films.
Romain, gespielt von Melvil Poupaud, ist kein sympathischer Mensch, sondern arrogant, überheblich, egoistisch und ein bisschen brutal. Nach der Diagnose macht er ohne Angabe von Gründen mit seinem Freund Schluss, und auch den Eltern und seiner Schwester sagt er nicht, dass er sterben wird. Einzig zu seiner Großmutter hat Romain Vertrauen. Diese von Jeanne Moreau eindrucksvoll verkörperte, lebenssatte Frau hat keine Angst vor der Beschäftigung mit dem Tod. Doch auch sie kann Romain nicht helfen: Er bleibt mit seinem Leben und Sterben allein.
Immer wieder lässt Ozon Erinnerungen aus der Kindheit an Romains Auge vorbeiziehen. Diese Welt von damals ist noch heil, glücklich und voller Verheißungen. Die Schwester ist noch eine Freundin und nicht wie später ein Hassobjekt, die Eltern sind respektierte, geliebte Menschen.
Stark ist der Film immer dann, wenn Ozon seinem Hauptdarsteller ganz nahe kommt. Dann ist die unglaubliche Angst dieses Mannes vor dem Verlust der Kontrolle zu spüren, seine Furcht vor Nähe und seine Vorbehalte, sich einem anderen Menschen zu öffnen. »Ich bin kein netter Mensch«, sagt Romain an einer Stelle.
Ozon setzt bewusst wenig Musik ein, dafür sprechen die Bilder für sich. Kurz vor seinem Tod zieht sich Romain völlig aus der Welt zurück. Er fährt ans Meer, wirft sein Handy auf den Müll und setzt sich mitten unter die sonnenbadenden Urlauber. Ein schmerzlicher Moment. Dennoch: Erstmals lächelt der Todkranke. Schließlich verhilft Romain einem ungewollt kinderlosen Paar zu Nachwuchs - das ist ein ziemlich moralischer Schluss.

Artikel vom 20.04.2006