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»Jesus verschied« - und die
Kirchenlichter erloschen

Karfreitags-Symbole beeindruckten Queller Gemeinde


Von Kendra Taktak
(Text und Foto)
Quelle (WB). »Er ist des Todes schuldig!«, zitiert Ulrike Magdanz düster das Urteil, das einst über Jesus Christus gesprochen wurde. Thorsten Maruschke tritt vor und zerbricht krachend einen Stock über seinem Knie - die 30 Zuschauer schauen betroffen. »Mitten im Karfreitag« nannte sich die Veranstaltung in der Queller Johanneskirche, die neue Zugänge zum Kreuzweg Christi eröffnete.
Dem Titel entsprechend, saßen die Gemeindemitglieder nicht auf den fernen Kirchenbänken, sondern im Stuhlkreis mitten im Altarraum. Zum Wortlaut der Johannespassion wurden symbolisch Handlungen und Requisiten der Leidensgeschichte Jesu vorgeführt. »Es sollte gerade kein Schauspiel sein«, betonte Vikar Thorsten Maruschke. Nicht die Darsteller, sondern die präsentierten Gegenstände seien bedeutsam, und das eigentliche Geschehen spiele sich in den Köpfen der Zuschauer ab.
Beeindruckend war bereits der Beginn der Veranstaltung: Der letzte Schlag der Kirchenglocken war verklungen, und tiefe Stille breitete sich aus. Lektorin Ulrike Magdanz ließ das Schweigen wirken, bevor sie mit der Lesung begann. Wie die übrigen Mitwirkenden verstand sie vorzüglich, die Zuhörer mit einfachen Mitteln zu bewegen.
Manche der Symbole sind weithin bekannt, angefangen bei Wein und Brot des Abendmahls über die 30 Silberlinge des Judaslohns bis zur Dornenkrone, die der »König der Juden« in seinen letzten Stunden tragen musste. Andere waren eher sinnbildlich zu verstehen: »Die Schafe werden sich zerstreuen«, las Ulrike Magdanz die Prophezeiung über die Auflösung der Gemeinschaft der Jünger Jesu vor, und Darstellerin Katharina Bartsch blies taumelnde, schwarze Ascheflocken von einem Teller.
Immer wieder legten die Darsteller kurze Pausen ein, um den Zuschauern Raum für eigene Gedanken zu lassen. Melanie Kleinekathöfer untermalte die Andacht mit Flötenmelodien von Bach. »Die Wirkung war fantastisch«, zeigte sich Besucherin Anne Schwartzkopff später begeistert. »Die schlichten Symbole wirken besser als lange Reden.«
Den Darstellern gelang es, auf subtile Weise Spannung aufzubauen - bis zum Höhepunkt der Inszenierung, dem Schreckensmoment des Todes. Auf die schlichten Worte »Jesus verschied« erloschen in der Kirche alle Lichter - die Zuschauer saßen bestürzt im Dämmerlicht.
»In dieser Form begehen wir den Karfreitag zum ersten Mal«, berichtet Thorsten Maruschke, der den Versuch vorgeschlagen hatte. Ihm kam es dabei auf die »niedrige Schwelle« an, auf die Nähe zur Gemeinde, die nicht zum Mitmachen angehalten wird, sondern das Dargebotene nur auf sich wirken lässt. Zufrieden mit dem Verlauf der Veranstaltung stellte er bereits in Aussicht, dass es 2007 wieder eine besondere Karfreitags-Andacht geben wird.
Im Schlussbild wurde die Grabstätte Jesu, symbolisiert durch ein sorgfältig ausgebreitetes, weißes Leinentuch, mit einem Felsbrocken verschlossen. Eine Stille kehrte ein, die noch lange nachhallte. Tief in Gedanken versunken, blieben die Zuschauer noch eine ganze Weile schweigend in der Kirche sitzen.

Artikel vom 18.04.2006