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Aus der eidgenössischen Zeitung »Schweizerzeit«

»Halbwissen weiß
manchmal
leider bloß die
falsche Hälfte.«

Leitartikel
Energiepolitik: windiges Klima

Schwindeln,
ohne rot
zu werden


Von Rolf Dressler
Warum wohl sind gerade auf dem gewaltig weiten Feld der Energiepolitik so viele Falschmünzer unterwegs?
Weshalb eigentlich schwindeln die Alles-besser-Wisser namentlich in der Klima-Ideologen-Disziplin das Blaue vom Himmel herunter, so dass die braven Bürgersleute kaum mehr wissen, ob sie Männchen oder Weibchen sind?
Und wieso fügen sich speziell Deutschland und die Deutschen geradezu ergeben in das vermeintlich unausweichliche Schicksal vorsätzlicher Irreführung und einer grotesken Un-Informiertheit, die längst jeder Beschreibung spottet?
Die Antwort: Mit den Deutschen kann man es offenbar machen. Siehe den abenteuerlichen Un- Kenntnisstand beispielsweise über die Reaktorkatastrophe vor 20 Jahren in Tschernobyl wie erst recht über die Nutzungsmöglichkeiten der Kernenergie überhaupt.
Dazu an dieser Stelle drei sehr bezeichnende Beobachtungen zur Sache:
- Bis heute ist die mächtig lautstarke Organisation »Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs« (IPPNW) den Nachweis dafür schuldig geblieben, dass zehntausende, wenn nicht gar hunderttausende nach Tschernobyl den Strahlentod entweder schon ge- storben seien oder daran absehbar zugrundegehen würden. Die umfassende, neutrale Erhebung der Vereinten Nationen vom Herbst 2005 indes zählt 50 Todesopfer und höchstenfalls bis zu 4000, die in den kommenden Jahrzehnten den erlittenen Strahlenschäden noch erliegen könnten.
- Haarsträubend und unverantwortlich ist deshalb auch dies: Stereotyp behaupten die Aktivisten der »Ärzte gegen den Atomkrieg«, in Tschernobyl habe sich 1986 »eine atomare Explosion mit der unvorstellbaren Gewalt von 1000 Hiroshima-Bomben im Jahre 1945 ereignet«.
- Ohne rot zu werden, verkündete die Grünen-Politikerin Renate Künast am 30. März in einem Gastbeitrag für die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, sogenannte erneuerbare Energien trügen mit »sechs Prozent« (!) angeblich »schon heute mehr zur Energieversorgung in Deutschland bei als die Atomkraft«. In Wahrheit liegt der Lieferanteil der hiesigen Kernkraftwerke bei 26 Prozent.
Solche massive Publikumsverdummung kommentiert sich selbst. Sie hat aber den rot-grün-bittersauren Boden bereitet für den einsamen deutschen Beschluss, aus der friedlichen Kernkraftnutzung auszusteigen.
Berufene Kritiker sagen, dies sei die folgenschwerste Fehlentscheidung der deutschen Energiepolitik gewesen. Derweil planen allein China 40, Russland 20 und Brasilien sieben neue, hochmoderne Atommeiler - zusätzlich zu den 450, die schon derzeit weltweit am Netz sind. Und Neubaupläne hegen neben Japan und anderen zukunftsorientierten (Industrie-) Ländern sogar auch wieder Schweden und die Niederlande.
Das wenigstens lässt sich nicht hinwegschwindeln.

Artikel vom 20.04.2006