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Eine einkalkulierte Niederlage

Arminias Bollwerk hält 69 Minuten - Mehmet Scholl Spieler des Tages

Von Werner Jöstingmeyer
München (WB). So richtig enttäuscht war niemand unter den knapp 7 000 mitgereisten Arminia-Sympathisanten im schönsten deutschen Fußball-Tempel. Zwar 0:2 gegen den amtierenden Deutschen Meister verloren, aber dem FC Bayern München in der ausverkauften Allianz-Arena alles abverlangt.

»Wir haben uns gut verkauft und können erhobenen Hauptes nach Hause fahren«, sagte DSC-Präsident Hans-Hermann Schwick über »ein interessantes Spiel«.
In der Tat brauchte der glamouröse Bundesliga-Spitzenreiter sehr viel Geduld, um gegen die biederen Ostwestfalen zum Erfolg zu kommen. Arminias Bollweg hielt 69 Minuten, ehe Ersatz-Kapitän Michael Ballack mit einem glücklichen Billardtor den 21. Saisonsieg einleitete. »Edeljoker« Mehmet Scholl leistete die engagierte Vorarbeit. Ballacks Geschoss aus gut 18 Meter krachte an den linken Innenpfosten, sprang anschließend DSC-Schlussmann Mathias Hain an den Rücken und von dort aus ins Tor. »Bayern-Dusel« eben. Schon fünf Minuten später versetzte Scholl den wackeren Bielefeldern den endgültigen K.o.
Fußball ist ein Ergebnisspiel. Die oft zitierte Aussage des Ex-Arminen Ansgar Brinkmann machten sich die Schützlinge von Trainer Thomas von Heesen einmal mehr zu eigen. Obwohl der Coach mit Isaac Boakye und Radomir Dalovic von Beginn an zwei Spitzen aufbot, lief in der Offensivabteilung herzlich wenig zusammen. Die Bayern machten Druck und beschäftigten Arminias Abwehr pausenlos. Claudio Pizarro traf nur den linken Pfosten und Ballacks Schrägschuss, bei dem er den herausstürzenden Keeper »Matze« Hain mit dem Knie am Hinterkopf verletzte, klärte Petr Gabriel vor der Torlinie.
Die Ursache für die Münchener Dominanz sah von Heesen auf der rechten Außenbahn. David Kobylik konnte den schnellen Philipp Lahm ebenso wenig bremsen wie Marco Küntzel, der nach gut 20 Minuten mit dem tschechischen Kollegen die Seiten getauscht hatte. Als der für Küntzel im zweiten Abschnitt eingewechselte Roberto Pinto Nationalspieler Lahm noch mehr Freiheiten gestattete, ereilte ihn die »Höchststrafe«.
Begründete Arminias Trainer Pintos Wiederauswechslung: »Roberto hatte innerhalb von zwei Minuten drei Ballverluste. Weil er Lahm nicht blocken konnte, habe ich für die Mannschaft und nicht gegen einen Spieler entschieden.«
Trotz des Eckenverhältnisses von 2:15 waren die Bielefelder keineswegs chancenlos. Die Bayern schwächelten zu Beginn der zweiten Halbzeit. Boakyes Fallrückzieher verfehlte das Gehäuse nur knapp. Danach brachte Westermann das Leder am langen Pfosten nicht unter Kontrolle.
»Schade, dass ausgerechnet in unserer Drangphase das Tor durch Ballack fiel« bedauerte Thomas von Heesen und sprach einigen jungen Spieler den Mut ab, vor dieser imponierenden Kulisse von 69 000 Zuschauern etwas riskieren zu wollen. »Wir hatten zuviel Respekt, um die Partie offen gestalten zu können.«
Das Gastspiel beim Rekordmeister war für Arminia so etwas wie die »Bundesliga-Kür«. An das Pflichtprogramm erinnerte der Trainer wenig später: »Wir konzentrieren uns jetzt auf die weiteren Aufgaben. Schließlich konnten wir nicht davon ausgehen, dass wir gegen Bayern gewinnen.« Kollege Felix Magath nahm die Aussage seines früheren Teamgefährten schmunzelnd zur Kenntnis. »Es war nicht einfach, gegen Ar-minia zu gewinnen. Defensiv gehört Bielefeld in der Bundesliga zu den Besten.« Damit relativierte Magath sein Versprechen, gerade gegen den DSC etwas für das Torverhältnis tun zu wollen.
Wie beim Aufwärmen Torhüter Oliver Kahn, der von einem Ball unglücklich am Auge getroffen wurde und deshalb dem »Schützen« und Ersatzkeeper Michael Rensing den Vortritt lassen musste, kam auch Bayern München dank der beiden Glückstore von Ballack und Scholl mit einem »blauen Auge« davon. Während Magath feststellte, jetzt nach dem Pokalsieg in St. Pauli und dem »Dreier« gegen Bielefeld »fröhliche Ostern« feiern zu können, traten die Ostwestfalen keineswegs bedröppelt die Heimreise an. Sie hatten eine Niederlage erlitten, die eigentlich von vornherein eingeplant war. Dennoch bedauerte Arminias Sportchef Reinhard Saftig: »Mit ein bisschen Glück hätten wir hier etwas holen können. Erst Scholl hat das Spiel gedreht.«

Artikel vom 18.04.2006