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»Sind Mitarbeiter des berüchtigten DDR-Unterdrückungssystem etwa Gewinner
der Einheit?«

LeitartikelZur Wahl Petra Paus

Linksaußen
sonnt sich
im Glanze...


Von Helmut Matthies
Deutschland ist ein seltsames Land. Die jüngsten Wahlen ergaben, dass Rechtsextreme (DVU, NPD) eine geringere Rolle denn je spielen. Anstatt sich darüber zu freuen, erklärte der Zentralrat der Juden in Deutschland im Blick auf Sachsen-Anhalt, die etablierten Parteien hätten »die Begeisterung für rechtsextremistische Parteien nicht gebrochen«. Tatsache ist: Die NPD trat gar nicht an. Sie unterstützte die DVU, die aber trotzdem nur drei Prozent (1998 waren es noch 12,9 Prozent) erhielt. Begeisterung?
Dass in Sachsen-Anhalt Linksaußen 25,2 Prozent (4,2 Prozent mehr) erhielt, ist offenbar weder Juden noch Kirchen noch Parteien eine Silbe des Bedauerns wert. Und hier liegt das Problem: Während Rechtsaußen marginalisiert ist, feiert Linksaußen einen Triumph nach dem anderen.
Nicht genug damit, dass die PDS-Größen Gregor Gysi und Lothar Bisky von Talkshow zu Talkshow gereicht werden, obwohl sie in der SED-Diktatur verantwortliche Positionen innehatten. Jetzt ist eine PDS- bzw. Linkspartei-Frau gar in eines der höchsten Staatsämter gewählt worden: Petra Pau wurde eine Vizepräsidentin des Bundestages. Der SPD-Politiker Hans-Peter Bartels begründete dies lapidar mit den Worten, man habe sich »mit der kommunistischen Fraktion geeinigt, und dann bekommt man eben eine Kommunistin«.
Petra Pau arbeitete einst im Zentralrat der FDJ. Christen, die sich weigerten, der FDJ beizutreten, durften oft nicht an eine Oberschule bzw. an eine Hochschule. Ihnen wurde damit trotz noch so guter Begabung eine Karriere verweigert. Sind Mitarbeiter des berüchtigten DDR-Unterdrückungssystem im wiedervereinten demokratischen Deutschland etwa Gewinner der Einheit?
Die einstigen Bürgerrechtler sind jedenfalls so gut wie alle aus dem Bundestag verschwunden. Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, beklagt zu Recht die zunehmend »aggressive Propaganda« sogar früherer Stasi-Mitarbeiter. Ausgerechnet während einer Diskussion in der Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen beherrschten die Täter die Debatte, konnten Opfer gar unwidersprochen als Kriminelle bezeichnen.
Noch längst ist die Stasi-Aufarbeitung -ĂŠauch in den Kirchen - nicht beendet. In letzter Zeit wurde sogar oft alle paar Tage ein neuer Spitzel-Fall in Sport und Politik bekannt. Indessen haben die gepeinigten Opfer kaum Fürsprecher. Im Gegenteil: Anfang April hatte der PDS-Fraktionschef im sächsischen Landtag, Peter Porsch, zu einer Buchlesung mit Ex-Stasi-Offizieren in Dresden eingeladen. In dem Buch wird das Wirken der Stasi beschönigt.
Deutschland hat 6000 Gedenkstätten, die an das Nazi-Unrecht erinnern. Dagegen gibt es nur wenige zur Erinnerung an die zweite deutsche Diktatur im letzten Jahrhundert. Als kleiner Trost bleibt, dass derzeit in vielen Kinos der Film »Das Leben der Anderen« läuft, in dem die Brutalität der Stasi beklemmend deutlich wird.

Artikel vom 18.04.2006