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Sürücü-Familie will das Sorgerecht

Nach dem Urteil im »Ehrenmord«-Prozess - Ermordete hat Sohn


Berlin (dpa). Der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, ist dagegen, dass der Familie der ermordeten Deutschtürkin Hatun Sürücü das Sorgerecht für deren sechsjährigen Sohn zugesprochen wird. Auf die Frage, ob er Forderungen nach Ausweisung der Familie unterstütze, sagte Beck: »Wichtiger finde ich, dass die Familie der Täter jetzt nicht auch noch einen Zugriff auf das Kind des Opfers erhält.«
Beck sagte, wenn in solchen Fällen das Jugendstrafrecht die Täter vor einer härteren Strafe schütze, »sollte aber auch mit den Instrumenten des Kinder- und Jugendhilferechtes in solche Familien eingegriffen werden, um Integration zu befördern und die Werte unserer Verfassung und gesetzestreues Verhalten zu vermitteln«.
Eine Schwester der ermordeten Hatun Sürücü will das Sorgerecht für deren sechsjährigen Sohn beantragen. »Das wollten wir von Anfang an. Wir haben nur das Urteil abgewartet«, sagte sie. Nach Angaben der türkischen Zeitung »Hürriyet« will der in Istanbul lebende Vater des Kindes das Sorgerecht beantragen, falls Sürücüs Antrag abgelehnt wird. Für die Dauer des Prozesses hatten die Sürücüs Kontaktverbot zu dem Kind, das bei einer Pflegefamilie untergebracht ist.
Das Berliner Landgericht hatte den jungen Türken, der seine Schwester Hatun Sürücü im Namen der Familienehre erschossen hat, zu neun Jahren und drei Monaten Jugendhaft verurteilt. Seine beiden mitangeklagten älteren Brüder wurden wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der zur Tatzeit 18-Jährige seine 23-jährige Schwester am 7. Februar des Vorjahres mit drei Schüssen in den Kopf tötete
Die durch das Urteil am Donnerstag ausgelöste Debatte um Integration hält unterdessen an. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bekräftigte seine Forderung, die Familie Sürücü solle Deutschland verlassen.

Artikel vom 18.04.2006