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Hoch zu Ross oder mit dem
Kajak die Natur genießen
Die vielfältige Altmark wartet aber auch mit historischen Städten auf
Schon in der DDR war die Altmark ein so wichtiges Ferienziel, dass sogar die allmächtige Staatssicherheit Kompromisse akzeptieren musste. In Sichtweite des Klassenfeindes, unmittelbar an der waffenstarrenden Grenze, lag am idyllischen Arendsee ein Pionierlager mit 1000 Urlaubsplätzen.
Nach der Wende waren solche Camps ebenso »uncool« wie die Vorstellung, Ferien in Sachsen-Anhalt zu verbringen. Doch das Image hat sich gründlich gewandelt: Aus dem Pionier-Objekt wurde ein Familien- und Schülergruppenheim in privater Trägerschaft. Auf dem See tummeln sich heute die Surfer, im See lebt die sensible Maräne - bis Wilfried Kagel aus Zießau sie fängt. Der Maränenfischer beliefert die Restaurants der Umgebung mit frischem Fisch, der in dem bis zu 52 Meter tiefen See mit reichlich Plankton ideale Lebensbedingungen findet. Drei Millionen Jungfische werden jährlich ausgesetzt.
Sauberes Wasser kennzeichnet auch Flüsse wie die Biese. An ihrem Ufer findet sich das einzige Fluss-Strandbad Deutschlands, wie die Anwohner keck behaupten. Trommeln gehört eben dazu, und in der Altmark muss man schon kräftig auf die Pauke hauen, um sich gegen so übermächtig scheinende Konkurrenz wie Oberbayern oder die Inseln und Küsten im Norden zu behaupten.
Wer jedoch einmal mit dem Kajak rund um Havelberg gepaddelt ist, wird zugeben, dass die Region absolut konkurrenzfähig ist. Das schmucke Städtchen wirkt von der Wasserseite besonders idyllisch, sogar einen Biberbau gilt es zu entdecken.
Ähnlich wie am Arendsee, wo das große Kloster lockt, sollte man auch Havelberg nicht verlassen, ohne sich den Dom und das benachbarte Priegnitzmuseum angeschaut zu haben. Letzteres ist besonders für Familien mit Kindern empfehlenswert, denn nicht nur Schülergruppen werden in diesem Museum, wo das Anfassen der Exponate ausdrücklich erlaubt ist, museumspädagogisch exzellent betreut, sondern auch einzelne Kinder bekommen auf ihr Alter zugeschnittene Fragebögen oder Spiele, um sich zwischen deutsch-slawischer Vergangenheit und DDR-Geschichte bestens zu unterhalten und ganz nebenher etwas zu lernen.
Für manche Urlauber ist Wasser eine Grundvoraussetzung, um den Urlaub genießen zu können, andere finden die Erfüllung eher auf dem Rücken der Pferde. Und auch da bietet Sachsen-Anhalt beste Voraussetzungen. Im ganzen Land ist Reiten überall erlaubt, wo es nicht ausdrücklich verboten ist - also fast flächendeckend. Kein Wunder, dass immer mehr Pferdefreunde den Nachbarländern Sachsen und Thüringen, wo es genau umgekehrt gehandhabt wird, den Rücken kehren. 1600 Kilometer umfasst allein das Netz, welches unter dem Motto Sternreiten in der Altmark vermarktet wird. Fast 40 Reiterhöfe haben sich zu dieser Initiative zusammengeschlossen. Die Anschubfinanzierung gab's vom Bundeswirtschaftsministerium, jetzt steht man auf eigenen Beinen. Ob man nun einen kurzen Ausflug in die Umgebung machen will oder tagelang von Herrenhaus zu Herrenhaus reiten möchte - alles ist möglich. Das Gepäck wird entweder zur nächsten Unterkunft gebracht oder im Planwagen mitgeführt. Wer es naturnah mag, kann auch im Heu schlafen. Wer seinen eigenen Vierbeiner nicht mitbringen will, profitiert vom »Rent-a-horse«-Angebot. Und wem der Sinn nach Pferdeleistungssport steht, kommt auf der Reitanlage in Krumke auf seine Kosten.
Das Radfahren ist indes kein reines Vergnügen. Zwar ist das Land nahezu tischeben und bietet ausgedehnte Wälder und Wiesen sowie Themenradwege, die Ausschilderung wird beim praktischen Test jedoch als mangelhaft empfunden. Besser also, man verzichtet auf Rundwege, sondern fährt einfach längs der Elbe. Von Mindens Partnerstadt Tangermünde aus ist dies ein optimales Vergnügen, denn nach dem Tag in der Natur kann man das hübsche Städtchen besichtigen. Reich verzierte Türme, mächtige Kirchen und ein wunderschönes Rathaus wollen ebenso wie die Burg Karls IV. entdeckt werden.
Sich auf zwei Beinen fortbewegen? Perfekt, denn Sachsen-Anhalt bietet dazu mit seinen Parks den passenden Rahmen. Das Netzwerk »Gartenträume« hat die schönsten Anlagen für den Tourismus erschlossen. Parks in Privatbesitz sind so der Öffentlichkeit zugänglich, bieten außer dem Naturerlebnis kulturelle Veranstaltungen, aber auch saisonale Märkte.
Auch der naturnahe Gesundheitstourismus spielt mittlerweile eine Rolle. Das kleine Dorf Düsedau hätte es nie auf die touristische Landkarte geschafft, hätte die Familie Albrecht-Magerl dort nicht ihr Landhotel eröffnet. Zwölf Banken lehnten das Projekt als zu riskoreich ab, erst das 13. Kreditinstitut war vom Konzept überzeugt. Und das sieht neben einer komplett behindertengerechten Ausstattung vieler Zimmer und der barrierefreien Anlage (sogar in die Sauna kann man mit dem Rollstuhl hinein) auch »Medical Wellness« mit esoterischen Aspekten vor. Das hauseigene Wasser ist entsäuert und mineralisiert, der Schwedenkräuter-Digestif putzt den Magen nach dem Genuss deftiger Schlachteplatten - und mit Entschlackungskuren kommen auch diejenigen auf ihre Kosten, die natürlich abnehmen wollen.
Etwas kontraproduktiv wäre es freilich, zugleich auch das Bierland Sachsen-Anhalt entdecken zu wollen. Es gibt in der Altmark noch diverse unabhängige Privatbrauereien, deren Produkte so abenteuerliche Namen wie Puparschknallbier oder Kuhschwanzbier tragen. Man sollte dann aber auch die Gelegenheit nutzen, und die Hopfenanbaugebiete bei Gardelegen zu besuchen und vielleicht auch das Schollener Bier-Diplom zu erwerben. Wohl bekomm's! Thomas Albertsen

Artikel vom 22.04.2006