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Wenn Treibholz Tango tanzt

60. Paderborner Osterlauf: Rolf Aldag auch ohne Fahrrad ein Ass

Von Elmar Neumann
Paderborn (WB). Er war nicht der beste unter den 7694 Aktiven des 60. Internationalen Paderborner Osterlaufs, aber in jedem Fall der prominenteste: Rolf Aldag, der ehemalige Edelhelfer von Jan Ullrich, hatte sein Rad gegen ein Paar Laufschuhe eingetauscht und bereitete sich an der Pader auf seine Marathon-Premiere an der Elbe vor.

Am kommenden Sonntag geht der 37-Jährige in Hamburg erstmals über die 42,195 Kilometer an den Start, bei der Jubiläumsausgabe des Osterlaufs begnügte sich Aldag mit dem »Zehner«, den er nach 34:01 Minuten als 47. beendete. Im Gegensatz zum »Aufwärmtraining« in Paderborn hat der Ex-T-Mobile-Profi für seinen Auftritt in der Hansestadt eine feste Zeitvorgabe. »Ich habe mit Wolfgang Berrens gewettet, dass ich für meinen ersten Marathon nicht länger als 2:45 Stunden benötigen werde. Ich hoffe, dass ich den Mund nicht mal wieder zu voll genommen habe«, so Aldag.
Berrens, Co-Bundestrainer Marathon, hatte vergeblich versucht, seinen Freund allein mit Worten davon zu überzeugen, dass Top-Leistungen auf dem Rad nicht ohne weiteres aufs Laufen zu übertragen sind. Jetzt muss Aldag fühlen und vermisst vor allem eines: »Der größte Unterschied zum Rad ist, dass es keinerlei Erholungsphasen gibt. Auch wenn es bergab geht, muss ich etwas leisten und kann es nicht einfach rollen lassen.« Eine Erfahrung, mit der der rennende Riese (1,91 m) aber gut zurecht kommt. Die Zeit in Paderborn war ebenso respektabel wie zuvor die 1:17 Std. beim Halbmarathon in Bonn. Lauf- und Radexperte Wolfgang Berrens (für Polar Deutschland tätig) ist nicht erst nach den jüngsten Eindrücken davon überzeugt, dass Aldag es in dieser Disziplin weit hätte bringen können: »Auf nationaler Ebene wäre Rolf sicherlich ein Kandidat für die Top 3 geworden. Seine physischen Voraussetzungen, das gewaltige Lungenvolumen - da wäre einiges möglich gewesen.«
Seine erfolgreiche Radprofi-Laufbahn lässt der Münsterländer am 29. April mit einem Abschiedsrennen in Ahlen ausklingen. Die sportliche »Umschulung« indes nimmt mit dem Wechsel auf die Füße erst ihren Anfang. Allein mit dem Marathon-Debüt in Hamburg gibt sich der Freund des Paderborner Künstlers Herman Reichhold nicht zufrieden. Noch in diesem Jahr sucht Aldag die ultimative Herausforderung für jeden Ausdauersportler - den Ironman. Am 20. Mai ergänzt er den Marathon beim Wettkampf der »eisernen Athleten« auf Lanzarote um 3,8 km Schwimmen und 180 Kilometer Radfahren, um sich mit einer Zeit von unter 10:10 Stunden für Hawaii zu qualifizieren. Das mit Abstand größte Problem hat Aldag mit dem flüssigen Element ausgemacht: »Im Wasser bewege ich mich wie Treibholz. Meine Hoffnungsschimmer hießen bislang Ebbe und Flut. Die Ebbe treibt mich raus und die Flut spült mich zurück.« Berrens bereitet noch eine weitere Sorge Falten: »Einmal haben wir bislang den Wechsel von der Rad- auf die Laufstrecke simuliert. Das hatte aber mit laufen nicht mehr viel zu tun. Das sah bei Rolf eher nach Tango aus.«
Das tanzende Treibholz nimmt dieses Urteil aber gelassen zur Kenntnis: »Ich möchte beim Triathlon nicht Top-Athleten wie Norman Stadler Konkurrenz machen, sondern mit diesen Extrem-Erfahrungen meinen Horizont erweitern. Auch wenn es anstrengend ist, soll mir das Ganze doch in erster Linie Spaß machen.« Dem Profi-Radsport bleibt Aldag, seit Weihnachten Vater einer Tochter namens »Maddie«, übrigens auch nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn erhalten - als Tour-de-France-Experte des ZDF.

Artikel vom 18.04.2006