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Ein Bier wie Bernstein

Sommeliers inszenieren Degustation für Regionalbrauer

Von Bernhard Hertlein
Oelde (WB). Wenn Sommeliers den Charakter eines Weines beschreiben, werden sie zu Lyrikern. Jetzt ziehen die Bierbrauer nach. Bei der Pott's Brauerei in Oelde haben die ersten beiden nordrhein-westfälischen »Bier-Sommeliers« ihr Examen abgelegt.
Rainer Diekmann (l.) und Manfred Klein legten ein Diplom als Bier-Sommeliers ab. Foto: ben

»Süffig.« Diese eine Vokabel hat bislang genügt, um zu beschreiben, dass ein Bier lecker schmeckt. Doch die Zeiten, da sich der Gerstensaft von selbst verkauft hat, sind vorbei. Einerseits kämpfen die regionalen Brauer gegen Weltkonzerne und Billigstbiere. Andererseits fährt die Jugend heute auf Bier allenfalls noch als Beigabe zum Mix-Getränk ab. Der deutsche Biermarkt leidet unter Schwindsucht. Von 147 Liter ist der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch schon auf 110 Liter zurückgegangen. Branchenkenner befürchten nach Angaben von Brauerei-Chef Rainer Pott sogar ein weiteres Absinken auf 80 bis 90 Liter.
Weiß-, Matt- oder Rotgold, Waldhonig oder Cognac, opalisierend oder bernsteinfarben, dazu die Unterscheidung feinglänzend oder naturtrüb: Schon bei der Beschreibung der Farbe eines Bieres entlockten die Sommeliers Rainer Diekmann und Manfred Klein gestern den Vertretern von acht Regionalbrauereien aus Ostwestfalen und dem Münsterland dichterische Glanzleistungen. Neben dem Aussehen dienten vor allem Geruch und Geschmack zur Beschreibung eines Charakters.
Nach Angaben des Vorsitzenden der jungen Initative »Private Regionale Brauer Westfalen«, Karl Fordemann (Herforder Brauerei), teilen sich acht Konzerne 75 Prozent des deutschen Flaschenbier-Marktes. Für die große Vielfalt sorgten die übrigen 1200 Regionalbrauer. So kamen gestern in Oelde ein Lagerbier (von Rolinck), ein Export (Herforder), ein Pils (Westheim), ein Kellerbier (Hohenfelder Brauerei), das Urtyp (Warburger), ein Alt (Barre), ein Weizen (Pott's) und ein Doppelbock (Rheder) zur Degustation.
Im vergangenen Jahr mussten auch die meisten regionalen Brauer in Westfalen Umsatzeinbußen hinnehmen. 2006 hoffen sie auf einen schönen Sommer, positiven Einfluss durch die Fußball-Weltmeisterschaft und eine Kundschaft, die, so Christoph Barre, im Bier auch ein regionales Kulturgut erkennt.

Artikel vom 13.04.2006