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Noch schließt Israel eigenen
Militärschlag gegen Iran aus

Teherans Atom-Erklärungen lösen scharfe internationale Kritik aus

Von Carsten Hoffmann
Tel Aviv (dpa). Die Entwicklung des iranischen Atomprogramms löst in Israel wachsende Sorge aus. Einen eigenen Militärschlag gegen den verfeindeten Staat schließen führende Politiker Israels vorerst aber aus. »Als derjenige, der die Entscheidung zu treffen hat, glaube ich wirklich nicht, dass Israel in diesem Krieg in vorderster Reihe stehen sollte«, sagt der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert.
Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad (r.) besucht mit dem iranischen Vizepräsidenten und Leiter der Atomenergiebehörde des Landes die Uran-Anreicherungsanlage in Natans. Foto: dpa

Israelische Militärexperten warnen aber davor, dass die Zeit für eine politische Eindämmung der Bedrohung abläuft, nachdem Iran mit der Urananreicherung begonnen hat. Binnen drei Jahren könne der Iran in den Besitz von Atomwaffen gelangen und damit im Nahen und Mittleren Osten eine Rüstungsspirale in Gang setzten. Auch Ägypten und Saudi-Arabien könnten dann nach Atomwaffen streben.
Bisher gilt Israel international als einzige nukleare Militärmacht in der Region. Nach Einschätzung internationaler Experten hält das Land 200 Atomsprengköpfe versteckt. Keine der israelischen Regierungen hat dies jemals bestätigt. Auch dies aber gilt als Teil der israelischen Abschreckungsstrategie. Mit einem atomar bewaffneten Iran würden sich die Kräfteverhältnisse dramatisch verschieben - zumal das Land auch den Bau von weit reichenden Raketen vorantreibt.
»Wenn Iran die Anstrengungen zur Entwicklung von Atomwaffen fortsetzt, ist ein Militäreinsatz (...) unvermeidbar. Er würde dann im Laufe des Jahres 2007 ausgeführt«, schreibt die Zeitung »Jediot Achronot« unter Berufung auf Experten aus den USA und Israel. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad wird als religiös verblendet beschrieben, als ein Mann, der eine Konfrontation mit dem Westen und sunnitischen Muslimen sucht und Israel zerstören will.
Nach den Worten des Chefs des israelischen Militärgeheimdienstes, Amos Jadlin, will die iranische Führung mit der jüngsten Erklärung allerdings vor allem ihre Verhandlungsposition stärken. »Die Iraner haben gestern der Welt erklärt, dass sie die Forschung und Entwicklung für Zentrifugen abgeschlossen, die Technologie im Griff haben und über erste Fähigkeiten zur Anreicherung verfügen. Aus ihrer Sicht gibt es nun keinen Grund mehr, über Kompromisse bei der Urananreicherung zu verhandeln, wie einen Betrieb auf russischem Boden.«
Dies bedeute aber noch nicht, dass die Atombombe für Iran nun schon in greifbarer Nähe sei. »Es ist eine bedeutende Entwicklung«, sagt der israelische Geheimdienstchef. »Aber nur weil jemand Fahrrad fahren kann, heißt es nicht, dass er 80 Kilometer in der Stunde fahren kann ohne herunterzufallen.«
Irans Erfolgsmeldungen in der Atompolitik sind nicht nur in Israel auf scharfe Kritik gestoßen. Der enge Iran-Verbündete Russland schloss sich gestern in fast wortgleichen Formulierungen den Warnungen aus den USA und Europa an: Die Islamische Republik widersetze sich damit den Forderungen der internationalen Gemeinschaft.
Die Mitteilung des Irans sei »ein Schritt in die falsche Richtung«, erklärte das russische Außenministerium. »Dies widerspricht den Entscheidungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und der Erklärung des UN-Sicherheitsrats.« Auch bekräftigt Russland wie die USA die Forderung, dass der Iran alle Arbeiten an der Urananreicherung stoppen müsse, »einschließlich der Forschung«.
Bislang verlässt sich die Regierung in Teheran darauf, dass Russland gegen Sanktionen sein Veto einlegen wird. Ein hochrangiger Vertreter des Irans wies die russischen Forderungen umgehend zurück und erklärte, das iranische Atomprogramm sei wie ein Wasserfall, der - einmal in Gang gekommen - nicht mehr gestoppt werden könne.
Trotz der Ankündigung der USA, im Sicherheitsrat über weitergehende Schritte und damit mögliche Strafmaßnahmen diskutieren zu wollen, ging Russland in seinen Reaktionen nicht auf diesen Punkt ein. Außenminister Sergej Lawrow lehnte ausdrücklich den Einsatz von Gewalt in dem Konflikt ab. Nach Medienberichten erwägen die USA, das iranische Atomprogramm mit gezielten Angriffen zu stoppen oder zumindest folgenschwer zu schädigen. US-Präsident George W. Bush hat diese Berichte jedoch als Spekulation zurückgewiesen.
Auch Deutschland, das an jahrelangen Vermittlungsbemühungen der Europäischen Union (EU) beteiligt war, verurteilte die iranische Erklärung. Die Regierung äußerte große Sorge darüber, dass diese in einer »sehr schwierigen Phase der Auseinandersetzung mit dem Iran« abgegeben worden sei.

Artikel vom 13.04.2006