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Ärzte verhindern Amputationen

Bundesweit erstes Wundheilungszentrum für Diabetiker eröffnet

Von Christian Althoff
Bad Oeynhausen (WB). Das bundesweit erste Wundheilungszentrum für Diabetiker ist gestern in Bad Oeynhausen eröffnet worden. »Hier werden wir möglichst viele Zuckerkranke vor der Amputation eines Fußes bewahren«, erklärte Prof. Dr. Diethelm Tschöpe, der Direktor des NRW-Diabeteszentrum Bad Oeynhausen.
Rundum versorgt: Elektroinstallateur Manfred Sauer mit (v.l.) Funktionsoberarzt Dr. Thomas Quast, Prof. Dr. Diethelm Tschöpe, Oberarzt Dr. Dirk Lammers und Oberärztin Dr. Susanne Fröhlich. Foto: Althoff

Mindestens acht Millionen Deutsche leiden an der Zuckerkrankheit, die zu Gefäßverschlüssen und Nervenschäden führen kann. Deshalb spüren Diabetiker oft gar nicht, wenn sie unter dem Fuß eine Druckstelle oder eine kleine Verletzung haben. »Aus einer kleinen Wunde kann so innerhalb von Tagen eine schwere Infektion werden, die manchmal nicht mehr zu beherrschen ist«, sagte Tschöpe. Dann müsse der Fuß oder das Bein amputiert werden, um den Patienten zu retten.
45 000 Zuckerkranke verlieren jedes Jahr in Deutschland auf diese Weise einen Fuß oder ein Bein. »Dabei wäre die Hälfte der Amputationen durch entsprechende Versorgung der Wunden vermeidbar«, sagt Oberarzt Dr. Dirk Lammers, der im NRW-Diabeteszentrum für die Betreuung von Patienten mit Wundheilungsstörungen verantwortlich ist.
Um die übrigen Patienten des Herz- und Diabeteszentrums vor der Keimbelastung der Fußsyndrom-Diabetiker zu schützen, hat das 900 000 Euro teure Wundheilungszentrum mit seinen beiden Operationssälen einen eigenen Fahrstuhl, eine separate Belüftungsanlage und eine Zugangsschleuse. Hier werden Patienten rundum versorgt: Diabetologen, Gefäßmediziner, Radiologen, Chirurgen, medizinische Fußpfleger, Orthopädietechniker und -Schuhmacher sowie Physiotherapeuten kümmern sich um Heilung und Nachsorge der wunden Füße. Dabei werden modernste Verfahren eingesetzt. So wird etwa aus Blut des Patienten ein Gel hergestellt, das eine sehr hohe Konzentration körpereigener Wachstumsfaktoren hat. »In die Wunde gegeben, reduziert es die Heilungszeit um viele Wochen«, erklärt Dr. Lammers. Anderen Patienten hilft eine Stammzellentherapie, die den Körper zur Bildung neuer Blutgefäße anregt.
Vier Wochen dauert durchschnittlich die Behandlung eines offenen Fußes, einzelne Patienten sind aber auch schon mehrere Monate geblieben. »Ein Aufwand, der sich lohnt, wenn man die Amputation verhindert hat«, sagt Dr. Lammers. 1710 Patienten mit diabetischem Fußsyndrom sind hier im vergangenen Jahr versorgt worden, 510 von ihnen ambulant. In zwei Prozent der Fälle sei man letztlich um eine Amputation nicht herumgekommen, sagt der Oberarzt. Damit liege Oeynhausen erheblich unter dem Bundesdurchschnitt von zehn Prozent.
»Wichtig ist, dass die komplizierten Fälle rechtzeitig zu uns kommen«, appelliert Prof. Tschöpe. Viele Kliniken und niedergelassene Ärzte nutzten inzwischen die Oeynhausener Kompetenz, doch sei es in erster Linie die Mund-zu-Mund-Propaganda zufriedener Patienten, die die Menschen ins Diabeteszentrum führe. So hatte Elektroinstallateur Manfred Sauer (56) aus Schloß Holte-Stukenbrock im WESTFALEN-BLATT gelesen, dass die Oeynhausener Ärzte einer Schneiderin aus Versmold einen verlorengeglaubten Fuß gerettet hatten. Der Diabetiker: »Ich habe mich deshalb sofort nach Oeynhausen einweisen lassen, als ich unter meinem linken Fuß eine Verletzung hatte. Hier fühle ich mich bestens betreut.«www.hdz-nrw.de

Artikel vom 13.04.2006