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Nachtarbeit gegen Freizeitaufschlag

Ingenieur erstreitet 122,6 freie Tage

Von Hubertus Hartmann
Paderborn/Erfurt (WB). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass Nachtarbeit mit einem höheren Freizeitausgleich abzugelten ist als die Arbeit am Tage.

Rechtsanwalt Jann Henrik Poppkes aus Schlangen erstritt dieses Urteil in einem Grundsatzprozess für einen Lebensmittelingenieur des Paderborner Marmeladen- und Fruchtsaftherstellers Stute.
Das Unternehmen mit 700 Beschäftigten kann nun wählen, ob es den Kläger für sieben Monate in »Sonderurlaub« schickt oder ihm knapp 20 000 Euro Nachtzuschlag nachzahlt.
»Bislang war die Vergütung von Nachtarbeit weitgehend ungeklärt, jetzt haben wir endlich Rechtssicherheit und müssen genau analysieren, wie sich das auf unseren Betriebsablauf auswirkt«, kommentierte Stute-Geschäftsführer Michael Berghorn gestern die Entscheidung.
In der Mehrzahl seiner Betriebe produziert Stute in drei Arbeitsschichten. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 45 Stunden. Der Kläger ist seit 1994 in dem Unternehmen beschäftigt. Bereits Ende 1999 verklagte er seinen Arbeitgeber auf Gewährung eines Nachtarbeitszuschlags. Im Mai 2003 entschied das BAG, dass Arbeitsstunden zwischen 23 und 6 Uhr mit einem 25-prozentigen Zuschlag zu vergüten sind. Jetzt urteilten die Erfurter Richter, dass dieser Zuschlag auch für den Freizeitausgleich gilt. Im Klartext: Für vier Nachtschichten erhalten Mitarbeiter von sofort an fünf freie Tage oder eben mehr Lohn. »Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt«, heißt es in dem Urteil.
Der Lebensmittelingenieur hatte in seinem Verfahren einen Ausgleich für Nachtschichten in den Jahren 1997 bis 1999 eingeklagt. Während dieser Zeit hatte er in 679 Schichten insgesamt 4413,5 Stunden Nachtarbeit geleistet, ohne dafür bislang einen Ausgleich erhalten zu haben. Nach dem Erfurter Grundsatzurteil stehen dem Mann jetzt nachträglich 14 126,30 Euro brutto plus Zinsen oder alternativ 122,6 freie Arbeitstage zu.
BAG, Az.: 5 AZR 422/04

Artikel vom 13.04.2006