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Ambivalenz einer Droge
Alkoholsucht
kann jeden
von uns treffen


Von Daniela Rahn
Mal richtig auf die Pauke hauen, Fünfe gerade sein lassen, mit den Kumpels oder Freundinnen einen Zug um die Häuser starten -Êwer kann sich diese Szenerie ohne Alkohol vorstellen? Ein Glas Prosecco beim Friseur, einen guten »Roten« zum Abendessen, Sekt zur Verabschiedung des Kollegen. Nichts Besonderes.
Oder doch? Während es für die Raucher dieser Welt langsam eng wird, weil die Qualmerei fast nirgendwo mehr uneingeschränkt geduldet wird, ist Alkohol eine durchaus akzeptierte Droge.
Alles kein Problem, solange die Verhältnismäßigkeiten passen. Wer abends gerne sein »Weinchen« zum Essen genießt, muss sich darüber keine Gedanken machen, sagen die Ärzte. Wer das Weinchen allerdings jeden Abend aus dem Schrank holt und sich gern auch mal eine ganze Flasche allein genehmigt, der hat wahrscheinlich ein Problem. Ganz zu schweigen von denen, die bereits morgens die erste Lust auf Alkoholisches verspüren.
Das Fatale: Die Übergänge sind fließend und manchmal schwer zu kontrollieren. Als Abhängiger wird man nicht geboren, wenngleich Untersuchungen ergeben haben, dass ein Kind abhängiger Eltern ein dreifach erhöhtes Risiko hat, ebenfalls alkoholsüchtig zu werden. Charakterliche Konstellation, die aktuellen Lebensumstände, Krisenfestigkeit -Ê das können Komponenten sein, die den Weg in die Sucht maßgeblich mitbestimmen. Hinzu kommt, dass Alkoholabhängigkeit viele Gesichter hat. Wer täglich Hochprozentiges konsumiert, hat ebenso wie der »Quartals-Trinker«, der sich zwar seltener, aber dann bis zum Delirium betrinkt, das Zeug zur Sucht.
Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, erleben die Betroffenen häufig unermessliches Leid. Nicht nur für die Trinkenden, auch für die »Co-Abhängigen«, die Familienmitglieder, ist Alkoholismus ein Drama. Sie sind oftmals in einer sehr verzwickten Lage, weil sie die Sucht aus Scham nach außen hin decken, nach innen aber kaum handlungsfähig sind.
Hier sind daher Offenheit im Umgang mit der Thematik und professionelle Hilfe gefragt. Alkoholsucht ist keine Schande, aber sie ist nachweislich schädlich - für die direkt Betroffenen ebenso wie diejenigen, die mit ihnen darunter leiden müssen.
Je früher die Erkenntnis da ist, dass sich etwas verändern muss, desto größer sind die Chancen zur Rückkehr in ein »normales« Leben. Das allerdings, muss man offen sagen, kann in der Regel nur mit vollständiger Abstinenz vom Alkohol funktionieren.
Auf Seite 20 finden Sie Informationen zum Thema und das Angebot, am 29. November mit zwei Expertinnen ins Gespräch zu kommen. Scheuen Sie sich nicht, dieses Angebot zu nutzen. Niemand braucht sich zu schämen, denn Anrufe werden auch anonym entgegengenommen.

Artikel vom 24.11.2006