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»Finale schmecken und riechen«

VfB Fichte oder SC Delbrück: Sieger steht in der DFB-Pokal-Hauptrunde

Bielefeld (WB/jm). »Wir haben hart dafür gearbeitet, dass wir so ein Spiel überhaupt erleben dürfen«, freut sich nicht nur Trainer Sven Moning auf das heutige Westfalenpokal-Halbfinale gegen den Oberligarivalen SC Delbrück (19 Uhr, Rußheide). Der Sieger qualifiziert sich für die DFB-Pokal-Hauptrunde. Zwecks gemeinsamer Einschwörung aufs »Spiel der Spiele« hielten sie am Montag beim VfB Fichte eine lange »visionäre Besprechnung« ab. Im mentalen Bereich wurde an Zielen und Visionen gearbeitet. Moning: »Dieses Finale müssen wir riechen, schmecken und spüren«.

Es ist kein Muss-Sieg. Sven Moning verdeutlicht, dass seine Spieler heute nur bekommen können. Neben der finanziellen Prämie würden »soziale Anerkennung« und »ein biographischer Gewinn für die eigene Fußballgeschichte« winken. »Es ist für die Älteren die einzige Möglichkeit, nochmal auf die große Showbühne zu kommen. Als sechsjähriger Knirps war so ein Highlight in weiter Ferne. Jetzt steht jeder da, worauf er sein ganzes Fußballerdasein gewartet hat«.
Die Mannschaft hat verstanden. »Ich bin total heiß. So eine Chance habe ich ein Mal im Leben. An eine Niederlage denke ich nicht«, fiebert Abwehr-Spezi Carsten Block dem Event entgegen. Torhüter Yorck Bergenthal hat beim VfB Fichte mehr als ein Jahrzehnt sämtliche Höhen und Tiefen miterlebt und weiß die »besondere Situation« sehr wohl einzustufen. »Dieses Pokalspiel ist natürlich das beherrschende Thema im Mannschaftskreis. Es wird eine Schlacht. Beide Teams werden ans Limit gehen«. Bergenthal erwartet ein »sehr enges und sehr knappes Spiel. Wir müssen es schaffen, in den entscheidenden Situationen kühlen Kopf zu bewahren«.
Vorsichtshalber haben sie beim VfB Fichte schon ein Elfmeterschießen simuliert. Die Schützen für den Fall X seien ausgewählt, und in Bergenthal sieht Sven Moning einen »Killer. Sollte es wirklich zum Elfmeterschießen kommen, werden wir das Spiel für uns entscheiden«. Um zuvor die 90 oder 120 Minuten zuvor schadlos zu überstehen, gelte es vor allem, gefährliche Standardsitationen abzuwenden. »Wir müssen das Spiel weg vom eigenen Strafraum verlagern, dürfen keine Freistöße und keine Ecken fabrizieren«, mahnt Moning. Die »Lufthoheit« dürfte den langen Kerls aus Delbrück gehören. Dominik Hansjürgen bezeichnet Moning als »besten Kopfballspieler der Liga«. Mit Dietmar Fullhorst, Guerino Capretti, Ansgar Kuhn, Alessandro Cirivello und Peter Berhorst bietet der Gast weitere kopfballstarke Spieler auf.
Hingegen ist die Liste der Bielefelder Ausfälle prominent. Reite-meier (Leiste), Christopher Gliniars (Leisten- und Adduktorenzerrung), Maik Götting (USA) und Torsten Meier (Muskelfaserriss) müssen passen. »Das Ding wird aber nicht in der Luft entschieden, sondern am Boden«, prophezeit Moning und will Delbrück »durch flaches Kurzpassspiel in die Knie zwingen. Über die Viererkette können wir sie knacken«.
Dass Christopher Gliniars ausgerechnet vor dem wichtigsten Spiel seiner Karriere nicht mal mit fremder Hilfe aufstehen kann, vergrätzt ihn total. »Das ist Wahnsinn. Eigentlich will ich mich nicht schonen. Dieses Spiel ist mir wichtiger als meine Gesundheit«, hat er die Hoffnung auf einen (Kurz)-Einsatz nicht gänzlich aufgegeben. Die angespannte Stimmung in der Mannschaft bezeichnet er als »Ruhe vor dem Sturm«. So »komisch«, wie sich der DSC Arminia in Frankfurt präsentiert habe, werde sich der VfB Fichte heute nicht verkaufen. »Wir können Unglaubliches erreichen. Ich hätte es Arminia echt gegönnt. Aber in so einem finalen Duell muss ich greller sein. Zu einem echten Pokalfight gehört zur Not auch eine Rote Karte«.
Sorgen, dass ein Pokal-K.o. womöglich mentale Schwierigkeiten für die Oberliga birgt, hat Sven Moning nicht. »Es gibt keinen Knacks. Pokal und Meisterschaft sind bei uns zwei voneinander völlig unabhängige Ziele. Es gibt nicht ein Spiel, das das andere tangiert. Unsere Spieler sind so clever und abgezockt, dass sie sich davon nicht irritieren lassen«.
Und überhaupt: »Unter meiner Regie haben wir zu Hause noch nicht verloren«. Die letzte Heimniederlage gab's im Oktober 2005 (2:3 gegen Erkenschwick). Sich selbst trägt der »Phantast« Moning (»Mich haben im Juni 2005 alle belächelt, als ich das Ziel DFB-Pokal genannt habe«) auf, heute Abend »kühlen Kopf« zu bewahren. »Vor dem Pokalspiel in Herford war ich aufgeregter«.

Artikel vom 13.04.2006