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Nur einer überlebte den Schiffbruch

Innenminister Sarkozy übersteht Protestwelle in Frankreich fast schadlos

Paris (dpa). Die Protestwellen der Reformgegner haben die konservative Regierungspolitik in Frankreich Schiffbruch erleiden lassen - es gibt nur einen, der die Katastrophe einigermaßen schadlos überstand.
Hat den Elyséepalast im Visier: Innenminister Nicolas Sarkozy.

Und ihm wird nun zugetraut, daraus noch Kapital schlagen zu können: Innenminister Nicolas Sarkozy, zweiter Mann der Regierung hinter dem massiv angeschlagenen Premierminister Dominique de Villepin, hat sein Lager vor dem völligen Untergang und das Land vor einem anhaltenden Chaos bewahrt. Ob das ausreicht, im Frühjahr 2007 als Erbe von Staatspräsident Jacques Chirac in den Elysée-Palast einzuziehen? Zumindest hat es Sarkozys Chancen spürbar erhöht. Die erstarkte Linke wird allerdings noch mehr als nur ein Wort mitreden.
»Der einzige Überlebende des Schiffbruchs« und »Sieger dieser vorgezogenen Vorwahl«, so sehen französische Medien den Chef der Regierungspartei UMP am Tag nach der Rücknahme der umkämpften Reform. Rivale Dominique de Villepin habe sich starrsinnig selbst in den Fuß geschossen. Dabei hatte sich der Premierminister doch gerade von der Härte in der Reformkrise einen Vorteil gegenüber Sarkozy versprochen.
»Sarkozy kann für sich beanspruchen, als erster die Sackgasse gesehen zu haben, in der die Regierung steckte, und den Weg aus der Krise gefunden zu haben«, lobte der konservative »Le Figaro« den 51-jährigen Innenminister. Chirac und Villepin kamen in dem heftigen Gezerre um die Reform nicht mehr umhin, widerwillig die Statur ihres gemeinsamen Gegners im Kampf um das höchste Amt noch aufzupolieren.
Chirac ging auf ihn zu, damit er die Krise löse. »Zumindest hat er jetzt wieder einen Draht zum Präsidenten«, meint ein Vertrauter des ehrgeizigen »Speedy Sarko«. Villepin dürfte nach seiner Reform auch den Ehrgeiz begraben, noch Staatschef zu werden. »Das Etikett des wahrscheinlichen Kandidaten haftet Sarkozy an«, meint »Le Parisien«.
Zwar ist Sarkozy der glasklare Sieger im Duell mit Villepin für jene, die das mühsame Krisenmanagement als eine Art Vorwahl für 2007 sehen. Während sich der Pulverdampf lichtet, bleiben Sarkozy indessen zwei heikle Aufgaben. Er muss all jene in der UMP besänftigen, die es der Spitze übel nehmen, der Straße nachgegeben zu haben. Und es gilt, sein angekratztes eigenes Image als Reformer zu reparieren, hat er doch dafür gesorgt, dass der so massiv umkämpfte Ersteinstellungsvertrag (CPE) eine Beerdigung dritter Klasse erhielt. Dabei predigt er selbst tief greifenden Wandel zum Wohl des Landes. »Ich habe nur meine politische Familie geschützt und auch für das Allgemeinwohl Sorge getragen«, erklärt Sarkozy die Überlebensaktion.
Seit Jahrzehnten hat Sarkozy den Elysée-Palast im Visier. Die UMP hat er ziemlich fest in der Hand, die Zahl der Mitglieder mehr als verdoppelt. Eine Präsidentenwahl ist für den hyperaktiven Mann, der nicht zuletzt die überaus wichtigen rechtsextremen Stimmen im Auge behalten muss, nicht mehr die orthodox-gaullistische »Begegnung eines Mannes mit einem Volk«. Sein Hebel soll die Partei sein. Doch der Aufwind der Linken dank der von Villepin losgetretenen Krise trübt das Bild vom geebneten Weg ins Präsidentenamt - vor allem auch die Popularität der möglichen sozialistischen Kandidatin Ségolène Royal.

Artikel vom 12.04.2006