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Zu viele folgen
dem Helfer von
der Heilsarmee

Kritik an Kapitän Michael Geymeier

Von Gerhard Hülsegge
(Text und Foto)
Bielefeld (WB). Er kümmert sich um Alkoholiker, Drogenabhängige und Prostituierte. Und Michael Geymeier ist beliebt bei der Klientel. Zu beliebt, wie es scheint. Denn nicht alle begleiten das Wirken des Pastors und Leiters der Bielefelder Heilsarmee nur mit Wohlwollen.

»Man versucht, mich hier wegzubekommen«, beschleicht den 42-Jährigen seit geraumer Zeit ein ungutes Gefühl, wenn er mal wieder mit seinem Bulli an der Nahariya-Straße steht und Kaffee, Tee und Gebäck verteilt. Stadt, Polizei und Nachbarn beobachten mit »Argusaugen«, was der verheiratete Vater von drei Kindern, einst selbst Alkoholiker und obdachlos, so treibt. Der Vorwurf steht im Raum, allein durch seine Anwesenheit würden mehr gesellschaftliche Randgruppen vor das Hotel Mövenpick und die Stadthalle gelockt als nötig.
Mövenpick-Direktorin Carla Krabbe: »Warum sollen die Leute woanders hingehen, wenn sie hier Kaffee, Tee und Brötchen kostenlos frei Haus geliefert bekommen?« »Damit sie anschließend in unser Café am Siegfriedplatz kommen«, sagt Geymeier. Dabei ziehen die 46-Jährige und der Seelsorger durchaus an einem Strang. Beide möchten, dass Besucher der Leinenstadt bei der Ankunft mit dem Zug nicht gleich von Punkern und anderen belästigt werden. Zurzeit ähnelt der Gang zum Hotel, zur U-Bahn-Haltestelle oder ins Parkhaus laut Krabbe einem »Spießrutenlauf«. Aggressive Bettelei, »Anmache« und sogar Diebstahl seien an der Tagesordnung. Die Hotel-Terrasse wurde schon mal gesichert. »Weil sich auch Fremde vom Büffet für unsere Gäste eingeladen fühlten«, berichtet die Gastronomin.
Hans-Rudolf Holtkamp, Geschäftsführer der Stadthallen-GmbH: »Veranstalter von Tagungen und Kongressen haben sich auch schon beschwert«. Wie er muss auch die Hotelchefin wirtschaftlich denken. Beide wollen sich die Gäste und Kunden nicht vergraulen lassen. Die Hotelchefin würde der Heilsarmee sogar Würstchen zum Sommerfest spendieren, wenn der Belagerungszustand rund um das Mövenpick dadurch beendet werden könnte. Das Engagement des »Kapitäns« von der Heilsarmee beurteilen Krabbe und Holtkamp grundsätzlich positiv. »Ich sehe seine Arbeit als absolut notwendig an«, so Carla Krabbe zum WESTFALEN-BLATT. Strom für eine Grillparty vor dem Haus habe sie ihm allerdings verweigert. Dafür unterstützt sie sein Bestreben, die »Klientel« vom Bahnhof und von der Straße weg zu bekommen. Zum Beispiel in das Café der Heilsarmee am Siegfriedplatz.
Das platzt aber auch schon aus allen Nähten. Rund 200 bis 300 Menschen »versorgt« die Heilsarmee in der Woche. Einige haben durch den Pastor, der aus Emden stammt und auch schon in Berlin als »Streetworker« aktiv war, Ein-Euro-Jobs erhalten und arbeiten im Café mit.
Am Bielefelder Bahnhof macht Geymeier meistens nach 20 Uhr Station. Bis 17 Uhr kümmert sich die Bahnhofsmission um die »Gestrandeten«. Die meisten wissen: »Der Michael von der Heilsarmee kann helfen«. Der Heilsarmist könnte sich auch aufs Predigen zurückziehen, hält sich sowieso nicht für einen »Supermann« der Massen bewegen kann, sagt: »Ich muss das nicht machen.« Und hat das nächste Ziel aber schon im Sinn: Die Aids-Prävention. Dafür will er nicht nur Kaffee und Tee, sondern auch Spritzen und Kondome verteilen.

Artikel vom 12.04.2006