11.04.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kaninchen leiden
wie Legehennen

Tierschützer kritisieren Mastbetriebe

Von Dietmar Kemper
Bielefeld/Warburg (WB). Wenn Kaninchen in Großbetrieben gemästet werden, können sie weder hoppeln noch Männchen machen. Die Haltung sei »mit der Qual der Legehennen in den Käfigbatterien vergleichbar«, kritisierte gestern der Deutsche Tierschutzbund in Bonn. Präsident Wolfgang Apel rief die Deutschen zum »Verzicht auf den Kaninchenbraten« auf.

30 Millionen Tiere werden jedes Jahr verzehrt. Wüssten die Verbraucher, wie Kaninchen industriell gezüchtet werden, würde ihnen der Appetit vergehen. »Die Tiere werden in viel zu kleine Drahtgitterkäfige gepfercht, können sich kaum bewegen und leiden unter Pfotengeschwüren und Verletzungen an den Ballen«, berichtet der Deutsche Tierschutzbund. Außerdem verkrümme sich die Wirbelsäule.
»Das hat nichts mit Osterhasen-Idylle zu tun«, beklagt Wolfgang Apel und fordert eine europaweite Gesetzesinitiative für eine artgerechte Kaninchenhaltung. Käfige müssten verboten werden, auch Böden aus Draht seien den Tieren nicht zuzumuten.
Die Kritik des Deutschen Tierschutzbundes richtet sich gegen die etwa 100 großen Kaninchenfleischerzeuger und weniger gegen die vielen privaten Züchter, von denen es allein in Ostwestfalen-Lippe 2021 gibt. »Wir kümmern uns liebevoll um die Tiere«, sagte der Vorsitzende des Kreisverbandes Höxter, Herbert Sandten, gestern dieser Zeitung: »Züchter müssen ihre Kaninchen sorgfältig beobachen, sie pflegen, abwechslungsreich ernähren und sauber halten, damit sie auf Schauen hohe Wertungen bekommen.«
Sandten wohnt in Warburg und züchtet seit 1962: Seinen Tieren schneidet er die Krallen, säubert Ohren und Zähne, tauscht das Wasser aus. Die Roste sind mit Kunststoff ummantelt, damit sich die Tiere nicht verletzen. Um abwechslungsreich und nahrhaft füttern zu können, mischt Sandten Petersilie, Sommergerste und Sonnenblumenkerne ins Pressfutter: »Ich möchte ja auch nicht jeden Tag Linsensuppe essen.«
Für die Futterauswahl verwenden die Züchter viel Zeit. »Früher ging man an den Straßenrand und pflückte Löwenzahn, heute ist man da vorsichtig«, sagte der Vorsitzende des Kreisverbandes Bielefeld, Dietmar Melzer. Kein Züchter gehe das Risiko ein, sich Krankheiten wie die meist tödliche Mixomatose in den Stall zu holen. Gesetzliche Bestimmungen für die Größe der Boxen gebe es zwar nicht, aber die Tiere sollten sich bewegen und aufrichten können, betont Melzer: »Für Mittelrassen wie das Chinchilla-Kaninchen sollte die Box schon 80 mal 60 Zentimeter groß sein.« Für die qualvollen Zustände in industriellen Mastbetrieben hat der Züchter kein Verständnis.

Artikel vom 11.04.2006