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Schock und Hoffnung zugleich

Neues Lebenszeichen aus dem Irak - Bilder zeigen erschöpfte Geiseln

Von Marion van der Kraats
Leipzig (dpa). Auf dieses Lebenszeichen haben die Angehörigen lange warten müssen: 75 Tage nach der Entführung der Leipziger René Bräunlich (32) und Thomas Nitzschke (28) und fast sieben Wochen nach den letzten Bildern gibt es eine neue Videobotschaft von den beiden Technikern.

»Das wichtigste Signal ist, dass die beiden noch leben«, sagt der Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche, Christian Führer. Auch Bräunlichs Mutter Ingeborg versucht, »wieder einen Funken Hoffnung« zu gewinnen. Doch die Sorge ist tief. Die neuen Bilder zeigen deutlich, wie erschöpft die Verschleppten sind.
»Wir sind am Ende unserer Nerven. Bitte helfen Sie uns. Wir halten es nicht mehr länger aus. Bitte helfen Sie uns«, sagt Nitzschke in der Botschaft, die das Datum vom 28. März trägt. »Wir sind ja froh, dass man überhaupt etwas hört«, sagt Bräunlichs Fußballtrainer Michael Herrn vom SV Grün-Weiß Miltitz. Die Mannschaft und er haben am Sonntag beim Spiel von der neuen Botschaft erfahren. »Als wir die Bilder gesehen haben, waren wir aber geschockt«, sagt Herrn. »Es muss was geschehen. Die Jungs gehen uns noch kaputt.«
Auch Rosemarie Müller lässt der zehn Sekunden lange Hilferuf nicht mehr los. »Wie mag es den Müttern gehen? Das ist doch furchtbar, sein Kind so zu sehen«, sagt die zweifache Mutter, die im selben Stadtteil wie Nitzschkes wohnt. Mit ihrem Mann Wilhelm hat die 46-Jährige in einem offenen Brief zu mehr Solidaritätsbekundungen aufgerufen. Bei der inzwischen 21. Mahnwache gestern Abend wollte das Ehepaar an der Nikolaikirche Kirche ein Plakat anbringen: »Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Bürger aus Rackwitz«.
In Leipzig scheint die Anteilnahme ungebrochen. Mehrere hundert Menschen kommen seit zehn Wochen montags und donnerstags zu den Mahnwachen an der Nikolaikirche. Immer wieder beteiligen sich Menschen an der Aktion mit den grünen Bändern, die ein Symbol der Hoffnung sein sollen - zuletzt die Fußballmannschaften FC Erzgebirge Aue und Dynamo Dresden beim Zweitliga-Spiel am 2. April.
Aus ganz Deutschland erreichen Pfarrer Führer Briefe. »Es ist großartig, wie ihr Euer Vereinsmitglied René unterstützt und damit besonders seiner Familie Hoffnung gebt. Viele Menschen hier in Magdeburg fühlen mit euch - gebt nicht auf«, heißt es auf der Internetseite vom SV Grün-Weiß Miltitz. Mehr als 97 300 Besucher verzeichnet die Seite, die Arbeitgeber Cryotec für seine verschleppten Techniker vor elf Tagen neu eingerichtet hat.
Bei dem Unternehmen in Bennewitz ist die Unruhe gewachsen, berichtet Cryotec-Chef Peter Bienert. Auf Plakaten bei der Mahnwache am vergangenen Donnerstag fragten Angestellte des Unternehmens: »Sind die Entführten im Irak schon vergessen?« oder »Was unternimmt die Regierung für die Freilassung?«.
Spezialisten des Bundeskriminalamtes (BKA) und des Bundesnachrichtendienstes (BND) haben das Video ausgewertet. Angaben zum Ergebnis gibt es aber nicht. Die Bundesregierung werde nach wie vor alles in ihrer Macht stehende tun, um die beiden Deutschen so schnell wie möglich in ihre Heimat zu bringen, heißt es.

Artikel vom 11.04.2006