11.04.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Matthias Platzeck

»Politik der Angst eine wertbegründete Politik der
Zuversicht entgegensetzen.«

Leitartikel
Platzeck tritt zurück

Die letzte
Trumpfkarte
der SPD


Von Dirk Schröder
Mit einem politischen Paukenschlag hat die Osterwoche begonnen. Gestern wollte der SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck seine Thesen für das neue Grundsatzprogramm der Partei vorstellen. Stattdessen erklärte er den Rücktritt von einem Amt, das er nicht einmal 150 Tage innehatte. Gesundheitliche Gründe hat der »Deichgraf« aus Brandenburg für diesen Schritt angeführt. Es verdient Respekt, dass er nach dem Hörsturz auf seinen Körper hört.
Innerhalb kürzester Zeit ist dies für die Sozialdemokraten ein weiterer Rückschlag, auch wenn mit dem Mainzer Ministerpräsidenten Kurt Beck ein Nachfolger bereit steht, der Platzeck an Bürgernähe in nichts nachsteht.
Nach einer Reihe von Niederlagen in den Bundesländern, nach der verlorenen Bundestagswahl und nach dem ebenso überraschenden Rücktritt Franz Münteferings als SPD-Chef im November 2005 galt Platzeck als der Hoffnungsträger, dem zugetraut wurde, die SPD wieder aus ihrer Krise herauszuführen. Die 99 Prozent, mit denen er gewählt wurde, waren ein Vertrauensvorschuss, dem der 52-jährige studierte Umwelttechniker bisher jedoch noch nicht gerecht geworden ist.
Dazu steht nicht im Widerspruch, dass er von den Bundesbürgern nach Bundeskanzlerin Angela Merkel als zweitwichtigster deutscher Politiker angesehen wird. Das wundert nicht, wird er doch als geradliniger und besonnener Politiker wahrgenommen, was nicht viele seiner Zunft von sich sagen können.
Zwar leise, aber dennoch nicht zu überhörende Kritik hatte es aus den Reihen der Sozialdemokraten gegeben, die ihre Partei inhaltlich nicht scharf genug gegenüber der Union positioniert sahen. Und Platzeck selbst war wohl auch der Meinung, dass es bisher für ihn nicht so gelaufen ist, wie er sich das vorgestellt hatte. Die schlechten Umfrageergebnisse für die SPD entschuldigte er immer damit, dass diese im Maschinenraum das Schiff Deutschland flott mache, während sich die Union immer noch auf dem Sonnendeck aufhalte.
Natürlich hat Angela Merkel ihre wirkliche politische Prüfung noch vor sich. Aber eben dies galt auch für Platzeck. Mit seinem Thesenpapier wollte er jetzt der »Politik der Angst in Deutschland eine wertbegründete Politik der Zuversicht« entgegensetzen.
Platzeck, hat sich nie nach Ämtern gedrängt. Mit dem Ministerpräsidentenamt sowie dem Vorsitz bei den Sozialdemokraten in Brandenburg und im Bund vereinte er aber so viele Ämter auf sich wie nicht viele Politiker. Nun kann er nicht mehr beweisen, dass er auf dem Weg war, ein moderner Vorsitzender der SPD zu werden. Seine Programmthesen wurden in den eigenen Reihen schon als wichtiger Schritt hin zu dem Ziel, die SPD ein Stück weit mit der Wirklichkeit zu versöhnen, gelobt.
Die letzte Trumpfkarte der Partei sticht jetzt nicht mehr. Übrig geblieben ist nur noch ein Joker - und der heißt Kurt Beck. Er ist bodenständig und eine Frohnatur - aber auch ein Hoffnungsträger?

Artikel vom 11.04.2006