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Kopf-an-Kopf-Rennen in Rom

Erste Hochrechnungen sehen Amtsinhaber Berlusconi vorn

Rom (dpa/Reuters). Hat es Ministerpräsident Silvio Berlusconi doch noch geschafft? Bei den Parlamentswahlen in Italien gibt es eine ganz knappe Entscheidung.
Wahlforscher sahen lange Romano Prodis Bündnis »Unione« vorn.

In Senat und Abgeordnetenkammer gebe es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen beiden Lagern, berichtete das staatliche italienische Fernsehen. Allerdings äußerten Experten Zweifel an den vorliegenden neuesten Zahlen. Nach Angaben des Nexus-Institutes liege das Mitte-Rechts-Bündnis Berlusconis in der Abgeordnetenkammer bei 49,9 Prozent der Stimmen, Prodis Allianz komme auf 49,6 Prozent. Nach Auszählung von etwa der Hälfte der Stimmen lag nach Angaben des Innenministeriums allerdings noch Prodis Union mit 52 gegen 47 Prozent vorn.
Im Senat komme Mitte-Rechts laut Nexus trotz prozentualer Stimmenmehrheit des Prodi-Lagers auf 158 Sitze, sieben mehr als Mitte-Links. Um in Italien zu regieren, werden Mehrheiten in beiden Parlamentskammern benötigt. »Die Siegesträume der Linken sind geplatzt«, sagte Landwirtschaftsminister Gianni Alemanno.
Eine große Talkshow im staatlichen Fernsehen trat am Abend unter dem Motto »Wer hat gewonnen?« zusammen. In Neapel wurde eine angekündigte Siegesfeier der Linken verschoben.
Zuvor hatten Prognosen und erste Hochrechnungen über Stunden einen Machtwechsel in Rom vorausgesagt. Prodi Allianz »Unione« wurden zeitweise deutlich über 50 Prozent der Stimmen zugesprochen. Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Prodi wurde von seinen Anhängern und Medien als Sieger gefeiert, mit einer voraussichtlichen Mehrheit in beiden Parlamentskammern.
Der 66 Jahre alte parteilose Prodi ist Wirtschaftsprofessor und gilt als pragmatisch ausgerichteter Politiker. Er hatte bereits bei den Wahlen vor zehn Jahren gegen Berlusconi gewonnen und erstmals in Italien die Linke an die Macht geführt. 1998 brachten die Kommunisten Prodi im Parlament zu Fall. Nach seinem Sturz wurde er EU-Kommissionspräsident in Brüssel, erst im vergangenen Jahr kehrte Prodi in die italienische Innenpolitik zurück und einigte die Linksparteien.
Dagegen gilt der 69-jährige Multimilliardär Berlusconi als einer der schillerndsten und umstrittensten Politiker in der Europäischen Union. Kritiker in Italien und im Ausland monierten immer wieder, der Fernsehunternehmer Berlusconi habe zu viel Medienmacht angehäuft: So gehören unter anderem die drei größten TV-Privatsender zu seinem Familienkonzern. Außerdem gab es in der Vergangenheit ein halbes Dutzend Strafverfahren gegen Berlusconi, unter anderem wegen Bestechung und illegaler Parteienfinanzierung.
Prodi scheiterte schließlich an Konflikten mit den Kommunisten (PRC), die nun aber wieder zu seinen Verbündeten gehören. Im Mai 2001 trat seine Koalition - diesmal geführt von Francesco Rutelli - gegen Berlusconi an und unterliegt.
Nach seiner Rückkehr aus Brüssel fordert Prodi, dass sich die Mitte-Links-Opposition vereint, um den Kampf gegen Berlusconi aufzunehmen. 2004 wurde er bei den ersten Vorwahlen in der italienischen Geschichte zum Spitzenkandidaten gekürt, um den Medienmogul ein zweites Mal aus dem Amt zu vertreiben.

Artikel vom 11.04.2006