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Beck ist offen für Rot-Gelb

Künftiger SPD-Chef: Partei muss sich neuen Wählerschichten zuwenden

Berlin/Mainz (dpa/Reuters). Der künftige, bisher noch kommissarische SPD-Vorsitzende Kurt Beck will seine Partei auch für Koalitionen mit der FDP im Bund öffnen.

Einen Tag nach seiner Nominierung durch die SPD-Führung sprach sich der rheinland-pfälzische Regierungschef dafür aus, Alternativen zum derzeitigen Bündnis mit der Union im Auge zu behalten. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle sieht durch den Wechsel an der SPD-Spitze wachsende Chancen für rot-gelbe Regierungen.
Der aus Gesundheitsgründen zurückgetretene SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck will bei der brandenburgischen Landtagswahl 2009 erneut als Spitzenkandidat antreten. Er werde auf dem Landesparteitag am 1. Juli auch wieder als SPD-Landesvorsitzender kandidieren, kündigte der Regierungschef gestern vor der SPD-Fraktion in Potsdam an.
Nach den Worten Becks, der am 14. Mai auf einem Parteitag in Berlin zum Parteichef gewählt werden soll, muss sich die SPD stärker neuen Wählerschichten zuwenden. Dazu gehörten etwa Ingenieure, Ärzte oder Anwälte. Das Arbeitermilieu, aus dem die SPD lange ihre Wähler rekrutiert habe, sei dramatisch zusammengeschmolzen. Die SPD dürfe aber »nie vergessen, die Interessen der kleinen Leute zu vertreten«.
Derzeit gebe es zwar nicht »besonders viele Schnittmengen zwischen SPD und FDP, schränkte er ein. Trotzdem sei es »lohnenswert, an Koalitions-Alternativen zu arbeiten«. Ein Bündnis von SPD und Linkspartei im Bund schloss Beck jedoch kategorisch aus.
Westerwelle verwies darauf, Beck habe jahrelang mit der FDP in Mainz erfolgreich regiert. Wenn die SPD jetzt diesen Kurs auch in Berlin fortsetze, »hätte das durchaus Auswirkungen auf die Aufstellung innerhalb der deutschen Parteienlandschaft«, sagte Westerwelle dem »Rheinischen Merkur«. Nach seinen Worten hat sich die Union rasant von ihren eigenen Positionen verabschiedet.
Beck hält sich die SPD-Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2009 offen. »Ich schließe das nicht aus, dass es so sein könnte«, sagte er in Mainz. »Töricht« wäre aber eine Festlegung schon jetzt. Nach Ansicht des Sprechers des rechten »Seeheimer Kreises« in der SPD, Johanes Kahrs, ist Beck nicht automatisch nächster Kanzlerkandidat. Die SPD habe einen »Haufen guter Leute«, sagte Kahrs. Konkret nannte er die SPD-Minister Frank-Walter Steinmeier (Außen), Peer Steinbrück (Finanzen) und Sigmar Gabriel (Umwelt). Antreten solle 2009 der, »der uns am ehesten den Sieg garantiert«.
Beck will sich kurz nach Ostern mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber treffen. Er werde sich dafür einsetzen, dass auch die anstehenden Reformen bei Gesundheit und Pflege eine sozialdemokratische Handschrift trügen. Den SPD-Vorsitz will Beck als »herausragendes Ehrenamt« ausüben. Der Posten des Mainzer Regierungschefs sei für ihn dagegen eine »Berufung«.
Platzeck wird sich jetzt erneut für neun Tage in medizinische Behandlung begeben, sagte Brandenburgs Regierungssprecher Thomas Braune gestern in Potsdam. Daran soll sich ein einwöchiger Genesungsurlaub anschließen.
Fast jeder zweite Deutsche ist der Ansicht, dass der Rücktritt des SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck der Partei schadet.
Lediglich 34 Prozent glauben, diese Entscheidung nütze der SPD. Das ergab eine Umfrage im Auftrag des Nachrichtensenders N24. Bei den SPD-Wählern beurteilten sogar 52 Prozent die Auswirkungen als negativ. Nur 29 Prozent sind der Meinung, der Rücktritt nutze der Partei. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 12.04.2006