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Kirchenschatz wieder daheim

Vierzehn Jahre nach Diebstahl wurde wertvolle Oblatendose entdeckt

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Nachdem eine silberne Oblatendose aus der Barockzeit 1992 aus der Neustädter Marienkirche in Bielefeld gestohlen wurde, galt das rare Stück als verschollen - bis es per Zufall im Freilichtmuseum Detmold ausgemacht und seine Herkunft korrekt zugeordnet werden konnte.

Der Tresor mit dem kompletten Kirchenschatz - damaliger Wert: 200 000 Euro - war gestohlen worden, die sakralen Gegenstände, darunter zwei Kelche aus dem Mittelalter, wurden jedoch ein knappes Jahr später von der Polizei in Hannover sicher gestellt. Es fehlten jedoch Kelch und Löffel aus den 1960er Jahren und eben jenes Ciborium, das Anno 1701 aus Anlass ihrer Hochzeit der Bäcker und Brauer Frans Hermann Heitze und Catarina Ilsabein Hamelman der Kirche stifteten. Wahrscheinlich, so der Kunsthistoriker Dr. Ulrich Althöfer, der seit 2001 das Inventar aller 300 Gotteshäuser der evangelischen Kirche von Westfalen erstellt, sei die Dose bereits im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts hergestellt und erst später dem Anlass entsprechend verziert worden: mit Kreuzkorpus, Stifterinschrift, Bibelzitat (»Gedencke Meiner Mein Gott im Besten«). Die Dose diente bis zu ihrem Verschwinden der Aufbewahrung der im lutherischen Gottesdienst »gewandelten Hostien«.
Auf der westdeutschen Kunstmesse in Köln erwarb der ehemalige Leiter des Detmolder Freilichtmuseums, Stefan Baumeier, das Ciborium mit der Absicht, regionales Kulturgut von Rang zu sichern: Er hatte das Bielefelder Sparrenwappen sofort erkannt, ahnte jedoch nicht, dass das Stück gestohlen worden war und eigentlich einen anderen Besitzer, die Neustädter Mariengemeinde, hat. Er erfuhr nur von dem Düsseldorfer Händler, das der es von einem Schweizer erworben hatte - Unterlagen gab es nicht.
Im November 2005 kamen der Historiker Uwe Standera und Andreas Kamm, der Geschichte studiert und genau wie Standera Mitglied im Historischen Verein ist, per Zufall zum Thema Kirchenschätze ins Gespräch. Kamm erzählte von der gestohlenen und seitdem verschollenen Oblatendose, Standera wusste, dass es eine solche Dose im Archiv des Detmolder Freilichtmuseums gab. Ob das tatsächlich stimmte, wurde schnell geklärt: Die Beschreibung der Dose - in der Bielefelder Gemeinde gab es kein Foto des Stückes - passte exakt auf den Ankauf von 1998. Alfred Menzel, Pfarrer der Neustädter Marienkirche, ist dem Museum dankbar, dass es das Eigentumsrecht der Gemeinde anerkannt und die Oblatendose »ohne Gegenleistung« übergeben hat. Am Gründonnerstag wird sie erstmals wieder in Gebrauch genommen.

Artikel vom 08.04.2006