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Kein Schwein darf mehr raus

Bauern und Schlachthöfe leiden seit Freitag unter EU-Transportverbot

Von unseren Lokalredaktionen Herford, Gütersloh, Verl, Paderborn, Warburg
Rheda-Wiedenbrück (WB). In der Nacht zum Freitag durften die letzten Schweine aus NRW zu Schlachthöfen gebracht werden. Jetzt gilt das von der EU verhängte Transportverbot, das ein Ausbreiten der Schweinepest verhindern soll - und das Schlachthöfe und Bauern vor große Probleme stellt.

20 000 Schweine werden täglich auf Europas größtem Schlachthof, den Tönnies-Fleischwerken in Rheda-Wiedenbrück, geschlachtet. »In der kommenden Woche werden es deutlich weniger sein«, sagt Geschäftsführer Josef Tillmann. Die Schweine würden dann aus anderen Bundesländern geliefert, die Schlachtquote werde auf 50 bis 70 Prozent reduziert. Brenzlig werde es, wenn das Transportverbot über Ostern verlängert würde. Jedes dritte Schwein, dass in Deutschland geschlachtet werde, komme aus Nordrhein-Westfalen. »Nur wenn Ostersamstag der Spuk vorbei sein sollte, kommen wir mit einem blauen Auge davon«, erklärt der Tönnies-Geschäftsführer.
Gedrückte Stimmung auch auf dem EG-Schlachthof von Heinrich Echterhof (68) und seinem Sohn Andreas (33) in Verl. Mehr als 2000 Schweine wurden Donnerstag bis Mitternacht geliefert, um die Zeit zum Transportstopp bis zur letzten Minute zu nutzen. »Wie es weiter gehen soll, wissen wir noch nicht«, meint der Seniorchef. 35 Mitarbeiter zählt der Betrieb. 4500 bis 5000 Schweine werden bei Echterhof pro Woche geschlachtet, das Fleisch wird im In- und Ausland verkauft. Die Tiere kommen von Betrieben aus dem näheren Umkreis. »Lieferungen aus anderen Bundesländern würden eine enorme Verteuerung bedeuten«, sagt Echterhof. Schon nach der BSE-Krise habe der Betrieb zu kämpfen gehabt.
»Wenn wir Ende nächster Woche nicht wieder schlachten können, wäre das eine Katastrophe«, beschreibt Uwe Tost, Geschäftsführer der Vieh- und Fleischzentrale Westfleisch in Paderborn (600 Mitarbeiter), die Situation. Bis Donnerstag Abend habe man noch die Schweine der regionalen Mastbetriebe geschlachtet, um Druck von den Erzeugern zu nehmen. »Doch in der kommenden Woche sieht es düster aus. Geschlachtet wird nur Dienstag und Donnerstag.« Dann werden Schweine aus anderen Bundesländern verarbeitet. Gewöhnlich werden pro Woche in Paderborn 16 000 bis 18 000 Schweine geschlachtet. Kurzarbeit gibt es zurzeit noch nicht.
Nahezu keine Auswirkungen hat das Transportverbot für den Warburger Schlachthof. »Die Lieferungen sind gesichert, da wir fast ausschließlich Tiere aus dem benachbarten Hessen beziehen«, sagte Thomas Jäger vom Warburger Schlachthof.
Gunter Gocksch, Geschäftsführer des EU-Schlachthofes in Herford, hat besonders viele Schweine von Landwirten aus NRW »vorgeschlachtet«: »Donnerstag waren es 1100«, berichtete er. Von Montag an bezieht Gocksch die Tiere aus Riemsloh, Rinteln und anderen Orten im nur wenige Kilometer entfernten Niedersachsen: »Dann werden wir bis Ostern erst einmal auf Sparflamme schlachten.« Wegen des Feiertages Karfreitag falle aber ohnehin ein Produktionstag aus. Der Chef der Großschlachterei äußert Zweifel am Sinn des Transportverbots für NRW und hält es für ungerecht: »Die Niederlande liegen doch viel näher an der von der Schweinepest betroffenen Stadt Borken als Herford. Und trotzdem dürfen die Holländer weiterhin Schweine nach Deutschland fahren. . .«

Artikel vom 08.04.2006