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Auf der Achterbahn der Gefühle

Hansjörg Gerber stellt im Literatur-Café bei Klack Heinrich Heine vor

Von Kendra Taktak (Text und Foto)
Brackwede (WB). »In meiner Brust, da sitzt ein Weh, das will die Brust zersprengen!« Es waren die Worte Heinrich Heines, mit denen Rezitator Hansjörg Gerber sein Publikum bewegte - im 150. Todesjahr des Dichters. Mehr als 50 Zuhörer waren zum Literatur-Café in der Buchhandlung Klack zusammengekommen, wie Inhaberin Dorothea Potthoff zufrieden zählte.

Marcel Reich-Ranicki nannte ihn einen »geborenen Provokateur« und »ewigen Ruhestörer« - die Rede ist von Heinrich Heine, dessen Lyrik zu der erfolgreichsten der Weltliteratur gezählt wird. »Heute Abend möchte ich ÝmeinenÜ Heine vorstellen; zugleich ist die Auswahl repräsentativ für sein lyrisches Werk«, erklärte Gerber zu Beginn der Veranstaltung.
Hansjörg Gerber, der eigentlich Diplom-Ingenieur ist und Literatur sein Hobby nennt, erklärte, warum viele Leser Probleme mit Heine haben: »Er nimmt sich stets sofort zurück. Auf eine Liebesbezeugung folgt Verbitterung, Melancholie bricht er mit Spott.« Das ist der Grund für sehr widersprüchliche Rezensionen, die ihm mal »Herz und Seele« zuschreiben und dann wieder sein Werk als »Sünde gegen den Zweck der Poesie« verreißen. Gerber nennt Heines umschlagende Stimmungen »Achterbahn der Gefühle«.
Das Publikum verfolgte die Lesung sehr intensiv. Viele Verse handelten von Liebesleid und machten betroffen oder nachdenklich. Über andere amüsierten sich die Zuhörer köstlich: Besonders die ironisch-derben, doch formvollendeten Überlegungen über die Paarigkeit mancher Körperteile und die Singularität anderer reizten zum Lachen.
»Hansjörg Gerber hat wirklich sehr gut vorgetragen«, zeigte sich Literatur-Liebhaberin Birke Vöhringer beeindruckt. »Außerdem wurde auch denen ein guter Überblick über das Werk des Dichters vermittelt, die noch keine Heine-Kenner sind.«
Der Rezitator wählte eine chronologische Vorgehensweise und lieferte zu den Gedichten die Lebenssituationen, in denen sich Heine befunden hatte, als er sie verfasste. Auch hier wechselte Heiteres mit Ernstem: Neben dem schnellen Bankrott als Bankier und einem unvermeidlichen Universitätswechsel - Heine hatte sich duelliert - standen unglückliche Liebe und antisemitische Ausgrenzung.
Der Interpret eröffnete und schloss den Abend mit Versen von François Villon. »Bei ihm findet sich die gleiche Auflehnung und Bitterkeit. Ich meine, Heine hat ihn gekannt«, bemerkte er.
Das Literatur-Café ist seit 20 Jahren eine regelmäßige Veranstaltung der Buchhandlung, die drei- bis sechsmal im Jahr stattfindet. Kontakte zu Hansjörg Gerber bestanden von Beginn an - er erinnerte sich, im Jahr 1992 bereits Heine dort vorgestellt zu haben.

Artikel vom 11.04.2006