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Stunden neben der Leiche der Mutter gelegen

Hinter Schutzwand: Sohn des tamilischen Mordopfers sagt im Schwurgericht gegen Vater aus


Bielefeld (uko). Stundenlang hat ein zwölfjähriger Junge nach der Ermordung seiner Mutter neben der Leiche im Bett gelegen. Diese erschütternde Aussage machte der Schüler gestern als Zeuge vor dem Schwurgericht, vor dem sich sein Vater Rasarathinam S. (46) wegen Mordes verantworten muß.
Der als Asylbewerber zweimal abgelehnte, abgeschobene und nach seiner illegalen Wiedereinreise trotzdem vom Bielefelder Ausländeramt geduldete Tamile hatte die zwei Jahre ältere Mohanambikai S. nach erbitterten Familienstreitigkeiten am Morgen des 18. Oktobers 2005 in der gemeinsamen Wohnung an der Waldenburger Straße erwürgt. Er habe dann gewohnheitsgemäß Whisky getrunken und auf seinen zwölfjährigen Sohn gewartet, berichtete der Alkoholiker gestern zum Prozeßauftakt.
Auch den Jungen hatte er erwürgen wollen. Als der merkte, daß sein Vater ihn umbringen wollte, stellte sich der Sohn tot. S. legte ihn ins Bett neben die Leiche der Ehefrau, wo der Junge mindestens drei Stunden bis zum Eintreffen der Polizei verharrte. Rasarathinam S. hatte sich unmittelbar nach dem Mordversuch an seinem Sohn der Polizei gestellt.
Die Tat an seiner Frau begründete der Tamile gestern mit den ständigen Vorhaltungen, die ihm Mohanambikai S. wegen angeblicher Liebschaften gemacht habe. Ursprünglich hatte S. jedoch die von ihm mißbilligten Kontakte der Frau zu ihrer Familie in Sri Lanka als Motiv genannt. Weil diese Familie ihm die nötige Achtung und den Respekt versagt habe, habe er die Tötung beschlossen. Den Jungen, so sein erstes Geständnis, habe er erwürgen wollen, um den älteren Söhnen ein deutliches Zeichen zu geben, daß sie auf den Vater hören sollten.
Um dem zwölfjährigen Sohn die Konfrontation mit dem Vater zu ersparen, erprobte das Schwurgericht gestern eine neuartige Vernehmungssituation: In Saal 1 des Landgerichts wurde ein großer Paravent aufgestellt, hinter dem sich der Angeklagte während der Zeugenaussage des Sohnes von einem Justizwachtmeister kontrolliert aufhalten mußte.
Trotz dieser Vorsichtsmaßnahme litt der Junge sichtlich unter den Nachwirkungen der Gewalttaten. Schluchzend und von Weinkrämpfen geschüttelt, schilderte der Junge, wie seine Mutter häufig vom Vater verprügelt worden sei. Der Vater habe sie oft wegen Lappalien mißhandelt. Der Zeuge: »Ich konnte es nicht ertragen, wenn Mama Schläge kriegte.« - Der Prozeß wird fortgesetzt.

Artikel vom 07.04.2006