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Schickt die abgegebenen Waffen zur Verschrottung: Richard Szepanski von der Bielefelder Polizei.

Immer mehr Bielefelder rüsten ab

Verschärfte Vorschriften: 980 Gewehre, Revolver und Pistolen abgegeben

Von Jens Heinze (Text und Foto)
Bielefeld (hz). Immer mehr Bielefelder rüsten ab. Seit Einführung des neues Waffengesetzes vor drei Jahren sind 980 Pistolen, Revolver oder Gewehre bei der Polizei abgegeben worden. »Das Gesetz hat ein Umdenken ausgelöst«, bestätigen Michael Hütig und Richard Szepanski von der Waffenrechtstelle im Polizeipräsidium.

Vor allem die verschärften Sicherheitsvorschriften - wer eine Waffe besitzt, der muss diese in einem tresorähnlichen Schrank aufbewahren - hätten zahlreiche Menschen dazu bewogen, sich von Pistole oder Gewehr zu trennen. Szepanski: »Viele erben eine Waffe und stellen dann fest, dass der Kauf des vorgeschriebenen Schrankes einfach zu teuer ist.« Außerdem gebe es nicht wenige Bielefelder, die aus moralischen Gründen keine Waffen mehr im Haus haben wollten: »Die erzählen mir, dass es täglich im Fernsehen schon genug Gewalt zu sehen gibt.«
14 588 Kurz- und Langwaffen sind in der Großstadt von den Ordnungshütern erfasst. 4817 Bielefelder verfügen über 6812 Waffenbesitzkarten. Etwa 40 Prozent davon sind Jäger (1300) oder Sportschützen (729). Der Rest (773) hat Waffen geerbt oder zählt zu den so genannten Altbesitzern oder sonstigen Karteninhabern (1993).
Die Waffenbesitzkarte berechtigt noch nicht dazu, die Waffe auch mitzuführen. Das ist ausschließlich Privatpersonen erlaubt, die den Waffenschein besitzen. 39 Waffenscheininhaber gibt es in Bielefeld. »38 davon gehören zu den gewerblichen Sicherheitsdienstleistern, nur einer ist eine besonders gefährdete Privatperson«, erläutert Szepanski.
Das am 1. April 2003 verschärfte Waffenrecht hat nicht nur zur allgemeinen Abrüstung, sondern auch dazu geführt, dass überhaupt immer weniger Anträge auf Waffenbesitzkarten gestellt werden. »Vor allem bei den Sportschützen hat das gewaltig nachgelassen«, sagt Michael Hütig. Früher, so der Chef der Waffenrechtsstelle bei der Bielefelder Polizei, habe noch jeder Vorsitzende eines Schützenvereins beim Erwerb einer Karte behilflich sein können. Das gehe seit drei Jahren nicht mehr: Sportschützen müssten die obligatorische Sachkundeprüfung ablegen und zusätzlich ein Empfehlungsschreiben ihres übergeordnenten Sportverbandes vorlegen.
Als ausgesprochener Rohrkrepierer hat sich jedoch der so genannte kleine Waffenschein erwiesen. Dieser berechtigt nach Eignungsprüfung durch die Polizei von 18 Jahren an zum Mitführen von Schreckschusspistolen in der Öffentlichkeit. Waren 2003, im ersten Jahr des neuen Waffengesetzes, noch 314 entsprechende Bescheinigungen von den Ordnungshütern ausgestellt worden, sank die Zahl in 2004 deutlich auf 72. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 35 erteilte »kleine« Scheine. Interessenten für das Papier seien vor allem Camper oder Frauen, die sich im Dunkeln oder an einsamen Orten vor Übergriffen schützen wollten. »Doch der Großteil der Besitzer von Schreckschuss- oder Gaspistolen hat einen kleinen Waffenschein gar nicht beantragt«, meint Waffenrechtsexperte Richard Szepanski. Zwar verpflichte das Gesetz nicht dazu, sich einen kleinen Waffenschein zu beschaffen oder die Waffen bei der Polizei anzumelden. Wer aber Gaspistole und Co. außerhalb seiner vier Wände mit sich führe, mache sich ohne kleinen Waffenschein strafbar (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe).
Immerhin - seit Einführung des neuen Waffenrechtes gibt es mit den seitdem verbotenen gefährlichen Gegenständen wie Butterflymesser, Wurfsterne oder Stahlruten kaum noch Ärger. Dafür sorgen sich die Waffenrechtler bei der Polizei um die Softwaffen vom Kaliber 5,5 oder sechs Millimeter, aus denen kleine gelbe Plastikkugeln verschossen werden können. Diese vom Gesetzgeber noch als Spielzeug angesehenen Waffen (Hütig: »Die kleinen Kugeln haben so eine Kraft, dass sie 20 Blatt Papier durchschlagen!«) seien bereits für Jugendliche von 14 Jahren an erlaubt. Das große Problem mit dem »Spielzeug«: Es sehe einer echten (Maschinen-)Pistole oder einem echten Gewehr täuschend ähnlich und könne bei einem Polizeieinsatz schnell zu folgenschweren Missverständnissen führen. Szepanski: »Hier muss der Gesetzgeber schnellstens einen Riegel vorschieben!«

Artikel vom 12.04.2006