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Fleischgeschäfte
waren illegal

Großhändler hatte keine Zulassung

Von Ernst-Wilhelm Pape
Versmold (WB). Der unter Gammelfleisch-Verdacht stehende Großhändler Uwe D. aus Gelsenkirchen hat seine Geschäfte illegal betrieben.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Essen habe der Großhändler in Nordrhein-Westfalen keine gültige Gewerbezulassung gehabt. Ihm sei bereits vor Beginn seiner Tätigkeit in Nordrhein-Westfalen von den niedersächsischen Aufsichtsbehörden verboten worden, mit Fleisch zu handeln. »Der Beschuldigte musste sein Gewerbe bei den Behörden in NRW nur anzeigen. Eine Überprüfung fand nicht statt«, sagte Oberstaatsanwalt Willi Kassenböhmer gestern dieser Zeitung.
Uwe D. hatte mit seinen illegalen Fleischgeschäften im April 2002 in Gelsenkirchen begonnen. Zuvor war der gelernte Metzgermeister nach Angaben des NRW-Verbraucherschutzministeriums im niedersächsischen Uelzen tätig. Hier wurde ihm die Zulassung entzogen. D. zog danach in ein Hotelzimmer in Gelsenkirchen und arbeitete ohne staatliche Genehmigung weiter.
Die Staatsanwaltschaft wirft D. vor, mit verdorbenem Fleisch und Schlachtabfällen gehandelt zu haben. Die Ware wurde zu Lebensmittelprodukten verarbeitet, verkauft und verzehrt. Ferner wurde verdorbenes Fleisch sichergestellt. Allein im Jahr 2005 hat D. mit 550 Tonnen Fleisch und Fleischerzeugnissen gehandelt. Die Ware wurde an Fleischverarbeiter und Händler im gesamten Bundesgebiet, nach Dänemark, Frankreich, in die Niederlande, nach Spanien und Tschechien geliefert. Auf einer Kundenliste, die dieser Zeitung vorliegt, sind 80 Abnehmer verzeichnet, die Ware von D. bezogen haben, darunter Gastronomiebedarfs-Unternehmen, Dönerproduzenten, Schlachtereien, Handelsagenturen, Fleischgroßhändler, Fleischwarenfabriken, Versandschlachtereien, ein Hotel in Niedersachsen und Handelsgesellschaften. In NRW wurden Betriebe vor allem im Ruhrgebiet und in Ostwestfalen-Lippe beliefert. Zu den Kunden von D. zählte unter anderem eine Handelsgesellschaft in Versmold und eine Fleischwarenfabrik in Harsewinkel.
Größter Kunde in NRW war der sogenannte Bratwurstkönig Dirk St. in Gelsenkirchen, der 100 Mitarbeiter beschäftigt sowie sechs Metzgereien und diverse Bratwurststände unterhält. Nach der Kundenliste wurden an St. knapp 21 Tonnen Fleisch, in erster Linie Putenhackfleisch geliefert. Gegen St. ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts des gewerblichen Betruges und Straftaten nach dem Lebensmittelrecht. St. soll gewusst haben, dass Fleisch, das er zu Bratwürsten verarbeitete, verdorben war. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist auch Dirk St. bereits verboten worden, sein Gewerbe weiter auszuüben. Der dritte Beschuldigte im Gammelfleisch-Skandal ist der Kühlhaus-Betreiber Hermann W. aus dem niedersächsischen Melle. In seinem Kühlhaus war Fleisch eingelagert worden, das nicht zum menschlichen Verzehr geeignet ist. Es besteht der Verdacht der Beihilfe zum Betrug.

Artikel vom 06.04.2006