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Paten für alle
Hauptschulen in der Region

NRW nimmt Lehrer in die Pflicht

Von Karl Pickhardt
Paderborn (WB). Allen Hauptschulen in Ostwestfalen steht bis Ende des Jahres ein Industrieunternehmen zur Seite. Damit will die Bezirksregierung Hauptschülern den Weg zu einer Lehrstelle erleichtern.

60 Prozent der 93 Hauptschulen in OWL mit 36 800 Schülern und 2850 Lehrkräften haben bereits einen Kooperationspartner aus der Wirtschaft gefunden. Das sagte gestern Christoph Höfer, Dezernent für Hauptschulen in Detmold. Damit stehe die Region landesweit an der Spitze. »Bis zum Jahresende wollen wir 100 Prozent erreichen«, sagte Höfer in Paderborn bei einer Vertragsunterzeichnung zwischen dem Unternehmen »Hella Leuchten-Systeme« und der Georg-Hauptschule.
Die Firmen verpflichten sich, Hauptschülerinnen und -schüler aus der Partnerschule bei der Vergabe von Lehrstellen und Praktikumsplätzen zu bevorzugen. Im Gegenzug sagen die Schulen eine gezielte Förderung bei ausgewählten Schülern der Abschlussklassen mit Zusatzunterricht zu: Schulische Lehrinhalte werden auf Anforderungen des Partnerbetriebs ausgerichtet. Zusammen mit dem Lehrer findet dabei Unterricht auch in den Firmen statt, die ihre künftigen Auszubildenden früh kennen lernen und mit der Schule Anforderungen abstimmen. Schulbündnisse mit Unternehmen vermittelt auch die Industrie und Handelskammer (IHK).
Bernd Hesse, Leiter der Georg-Schule, nannte als Auswahlkriterium auch soziale Tugenden. Dazu zählten Pünktlichkeit, Fleiß und Auftreten. »Das fängt schon beim Morgengruß an«.
Die »Hella Leuchten-Systeme« mit 1000 Beschäftigten und 64 Auszubildenden in Paderborn verpflichtete sich, bis 2010 pro Staffel drei Ausbildungsplätze für Schüler mit Abschluss Typ A nach Klasse 10 zur Verfügung zu stellen. Schüler mit diesem Abschluss haben es auf dem Lehrstellenmarkt besonders schwer, weil ihnen die Fachoberschulreife fehlt.
Bundestag und NRW-Landtag stellten sich gestern dem Thema Gewalt in der Schule sowie fehlenden Perspektiven für Hauptschüler. Bei Gewalt an Schulen gelte null Toleranz, sagte Unionsbildungsexpertin Ilse Aigner in Berlin. »Wir müssen jungen Menschen auch etwas zutrauen und Verantwortung - etwa als Streitschlichter - einfordern.« Der Schlüssel für Integration liege in der Bildungspolitik. Es sei unverantwortlich, Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse einzuschulen.
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) rief die Lehrer im Land auf, bei der Umsetzung der Schulreformen mitzumachen. Die notwendigen Veränderungen könnten nur gelingen, »wenn die Lehrer das mittragen«, sagte er bei der ersten Lesung des Entwurfs für ein neues Schulgesetz. Die Reformen sollen mehr Leistung und mehr soziale Gerechtigkeit in das Schulsystem bringen. Leitidee des Gesetzes sei die bessere individuelle Förderung aller Schüler.
Die Reformen seien dringend notwendig. »Jeder Tag, an dem sich nichts ändert, ist schlecht für die Kinder in unserem Land«, sagte der Ministerpräsident. Seite 4: Hintergrund und Kommentar

Artikel vom 06.04.2006