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Schminken gehört für viele Mädchen auf dem Weg zum Erwachsenwerden dazu. Foto: Clearasil

Pubertät! Alles ätzend, oder?

Schwieriges Alter für Eltern und ihren Nachwuchs - Geduld und Verständnis gefragt

Sie sind von ihren Eltern genervt, verlieren plötzlich das Interesse an ihren Hobbys und finden Schule und Lehrer einfach ätzend - wenn Kinder in die Pubertät kommen, machen sie und ihre Eltern eine schwere Zeit durch. »Die Pubertät ist die Übergangszeit von der Kindheit zum Erwachsensein«, erklärt Diplom-Psychologin Ingrid Rasch, Leiterin der Katholischen Erziehungs- und Familienberatung in Köln.
»Kinder lösen sich in dieser Zeit von ihren Eltern und brechen zu neuen Ufern auf. Das ist ein schmerzhafter, aber notwendiger Prozess für beide Seiten.« Ein Prozess, der zwischen drei und fünf Jahre dauern kann.
Bei deutschen Mädchen beginnt die Pubertät, wenn sie etwas älter sind als zehn Jahre, bei Jungen ungefähr mit zwölf Jahren. Kinder aus dem südlichen Europa erreichen den Beginn der Pubertät im Schnitt ein Jahr eher.
Während der Pubertät entwickeln sich nach und nach die äußeren und inneren Geschlechtsmerkmale, die Mädchen bekommen ihre erste Menstruation, die Jungen ihren ersten Samenerguss. Beide Geschlechter beginnen, sich für Sexualität zu interessieren. Von ihrer Umwelt fühlen sich die Jungen und Mädchen in dieser Zeit oft unverstanden, wirken geistesabwesend, launisch und streitsüchtig, bisweilen auch aggressiv.
Auch schlechte schulische Leistungen haben meistens mit der Entwicklung in der Pubertät zu tun: Die Mädchen und Jungen sind mit so vielen anderen Dingen beschäftigt, dass sie das Lernen vernachlässigen. Hinter all dem steckt also keine böse Absicht, auch wenn das für Erwachsene nicht immer offensichtlich ist. »Eltern dürfen sich nicht persönlich angegriffen fühlen«, sagt Ingrid Rasch. »Häufige Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Kindern sind in der Pubertät ganz normal und auch notwendig. Wenn Konflikte nicht ausgetragen werden, können die Kinder sich nicht ausprobieren und nicht behaupten lernen.«
Das verlangt von den Erwachsenen besonders viel Verständnis, Geduld und Gesprächsbereitschaft. Ingrid Rasch rät: »Nehmen Sie Ihre Kinder und deren Probleme ernst und bleiben Sie mit ihnen in Kontakt. Das bedeutet aber nicht, dass sie mit allem einverstanden sein müssen. Setzen Sie auch Grenzen - das hilft den Kindern bei der Orientierung«. Um herauszufinden, wie viel Freiheit sie lassen und wo sie Grenzen setzen sollten, kann es helfen, wenn Eltern sich mit Freunden beraten, die Kinder im selben Alter haben.
Alkohol und Drogen sind bei Jugendlichen immer wieder Thema - wer »cool« sein will, probiert schon mal etwas aus, allerdings sind sich viele der Risken nicht bewusst. »Fragen Sie Ihr Kind nach seiner Einstellung zu Alkohol und Drogen und sprechen Sie Ihre Befürchtungen aus. Wenn Sie bemerken, dass Ihr Kind Drogen nimmt, sollten Sie sich frühzeitig professionelle Beratung suchen.«
Hinweise darauf, ob die Entwicklung der eigenen Kinder altersgemäß verläuft, bekommen Eltern zum Beispiel auch durch die ärztlichen Früherkennungsuntersuchungen, die die gesetzlichen Krankenkassen empfehlen und auch bezahlen. Eine der Untersuchungen, die J1, richtet sich speziell an Zwölf- bis 14-Jährige. »Bundesweit nehmen nur etwa 30 Prozent der Jugendlichen die Untersuchung in Anspruch«, erklärt Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). »Hier besteht noch ein erhebliches Informationsdefizit. Die Schulen sollten sich dieses wichtigen Themas annehmen. Das klappt in einigen Regionen, besonders in den Stadtstaaten, durch die tatkräftige Unterstützung des öffentlichen Gesundheitsdienstes schon ganz gut.«
Bei der J1 erfasst der Arzt wichtige Daten wie Krankheiten, Essverhalten, schulische Leistungen, Impfstatus, Bewegungs-, Sozial- und Suchtverhalten, sexuelle Erfahrungen. Hinzu kommt eine Ganzkörperuntersuchungeinschließlich Bestimmung der Pubertätsstadien und des Body-Mass-Index sowie eine Urinuntersuchung. Bei entsprechender familiärer Vorbelastung ergänzen Blutanalysen (Blutfette, Schilddrüse) die Untersuchungen. »Den Abschluss bildet ein beratendes Gespräch - allein mit dem Jugendlichen oder auch unter Einbeziehung der Eltern. Dies entscheidet der Jugendliche selbst. Die Mehrzahl verzichtet während der Untersuchungen auf die Anwesenheit der Eltern«, so Hartmann.
Mehr Informationen zum Thema im Internet unter http://www.aok.de und http://www.kinderaerzte-im-netz.de psg

Artikel vom 12.05.2006