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»Königinnen der Korruption« in Haft

Spanien setzt Marbellas Stadtrat ab - Korruption gigantischen Ausmaßes

Von Hubert Kahl
Madrid (dpa). Vor einer Woche hatten Marisol Yagüe und Isabel García Marcos noch im Rathaus von Marbella die Amtsgeschäfte geführt.
In Haft: Marbellas Bürgermeisterin Marisol Yagüe.

Nun teilen die Bürgermeisterin des Nobelbadeorts und deren Stellvertreterin eine Zelle im Gefängnis vor den Toren Málagas an der Costa del Sol. Vorwurf: Die Stadtoberen sollen einem verzweigten Netz angehören, das mit Bestechung und illegalen Geschäften Milliarden kassierte.
Die Korruption in Marbella hatte solche Ausmaße angenommen, dass das Ferienparadies der Reichen und Schönen zu »Europas Hauptstadt der Korruption« geworden war. Die spanische Regierung entschied gestern, erstmals in der neueren Geschichte des Landes einen ganzen Stadtrat abzusetzen. Die 54-jährige Bürgermeisterin hatte sich nach Angaben der Ermittler erst kürzlich mehrere Luxuslimousinen von einem Unternehmer schenken lassen. Seine Firma erhielt dafür von der Stadt den Auftrag, falsch geparkte Autos abzuschleppen.
Die »blondierten Königinnen der Korruption«, wie »El Mundo« die Stadtoberen nennt, sind jedoch nicht die Schlüsselfiguren des Skandals. Als der eigentliche Drahtzieher gilt der 53-jährige Juan Antonio Roca. Er ist der Mann, der sich stets im Hintergrund hielt, aber der eigentliche Herrscher über Marbella gewesen sein soll. »Sein Wort war in Marbella Gesetz«, schreibt »El País«. 2004 erhielt er die Zuständigkeit für die Baupolitik. Gegen Schmiergelder erteilte die Stadt fortan Baugenehmigungen, auch für Sport- oder Parkgelände. Unter Bauherren hieß es: »die Hälfte des Schecks an Roca.«
Der Mann im Hintergrund zog auch die Fäden, als die politisch unbedarfte Marisol Yagüe 2003 zur Bürgermeisterin gewählt wurde. Die Tochter eines Obsthändlers kam als »Strohfrau« des Baulöwen Gil ins Amt, der nicht selbst kandidieren durfte. Sie überließ die Amtsgeschäfte ihrer Vertreterin Isabel García Marcos.
Diese war jahrelang Oppositionschefin gewesen. Aber irgendwann erlag die attraktive Sozialistin der Versuchung der Macht und schwenkte ins Lager ihres Erzfeindes über. In ihrem Wohnhaus stellte die Polizei mehr als 300 000 Euro Bargeld sicher.
Insgesamt nahmen die Ermittler 23 Verdächtige fest, darunter die Führung des Stadtrats. Sie konfiszierten Besitztümer im Wert von 2,4 Milliarden Euro. Dazu gehörten Herden von Zuchtpferden und Kampfstieren, kiloweise Juwelen, mehr als 300 wertvolle Kunstwerke, Dutzende von Luxusautos, ein Hubschrauber und ein Tiger.
Die Stadtverwaltung von Marbella ist dagegen bankrott.

Artikel vom 05.04.2006