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Mit leerem Magen zur Schule

Warme Mahlzeit für ihre Kinder ist für manche Eltern kaum bezahlbar

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Thomas Buch, Leiter der Stapenhorst-Grundschule, erinnert sich noch gut daran, als er einen seiner Schüler nach Einführung der Offenen Ganztagsschule fragte, was ihm denn daran gefalle und die Antwort lautete: »Dass ich mittags zu essen bekomme.«

Buch weiß wie seine Kollegen, dass viele Kinder ohne Frühstück und ohne Pausenbrot zum Unterricht erscheinen. Er will, dass alle »Ganztagskinder« ein warmes Mittagessen bekommen: »Das darf nicht daran scheitern, dass Eltern dafür nicht zahlen können.«
Sollte das der Fall sein, helfe die Schule »unbürokratisch«. Ein Mittagessen in der Offenen Ganztagsschule in Bielefeld kostet zwischen 2,30 und 2,50 Euro.
In anderen Schulen wie der Schule am Lönkert nutzt man die finanzielle Unterstützung der Sparkassen-Stiftung dafür, Kindern die warme Mahlzeit zu zahlen. Schulleiter Paolo Picciolo: »Manche Eltern sind dazu nicht in der Lage.« Auch in der Hamfeldschule werde, so Leiterin Karin Berndt-Schmidt, ein Teil des Stiftungsgeldes fürs Mittagessen ausgegeben. Mike Loßmann, Leiter der Tieplatzschule, investiert in den Ausbau eines Kiosks durch Schüler, um dort eine Frühstücksmöglichkeit zu schaffen.
Laut Umfrage des »Netzwerk NRW« kommen zehn Prozent aller Kinder ohne Frühstück zur Schule, 20 Prozent ohne Pausenbrot und Getränk, fünf Prozent decken sich stattdessen mit Chips und Süßigkeiten ein. Gleichzeitig, so eine Untersuchung der Universität Hohenheim, seien 20 Prozent der Sechs- bis 16-Jährigen übergewichtig oder sogar fettsüchtig.
»Voller Bauch studiert nicht gern, gilt in der Schule nicht,« betont Ulrich Zimmer, Leiter der Grundschule Brake. Mädchen und Jungen, die einen leeren Magen hätten, seien unkonzentriert und aggressiv. Zimmer: »An unserer Schule wird Wert darauf gelegt, dass die Kinder gemeinsam eine warme Mahlzeit zu sich nehmen.« Würde sich die Schule darauf verlassen, dass die Schüler von zu Hause Butterbrot, Obst, ein Getränk mitbekämen, gäbe es seiner Meinung nach eine »Zwei-Klassen-Gesellschaft«: »Die, die etwas zu essen haben, und die, die gern etwas zu essen hätten.« Genau wie bei Thomas Buch ist die gemeinsame Mahlzeit - neben dem Sattwerden und dem Gesundheitsaspekt - auch ein Stück Erziehung: »Die Kinder lernen Tischsitten und Rücksichtnahme.« Thomas Buch ergänzt: »Inzwischen ist es die Ausnahme, wenn das Essen 'runter geschlungen wird. Bei uns wird mit Besteck und Serviette gegessen.« Die Kinder selbst geben eine Bewertung ab zu dem, was jeweils auf den Tisch kommt, ziehen die »grüne« oder die »rote« Karte. Buch: »Klar sind Nudeln mit Tomatensauce bei vielen das Lieblingsgericht, aber wir versuchen zwischen Milchreis und Currywurst immer etwas zu finden, was allen schmeckt.« Georg Müller, Leiter des Amtes für Schule und städtische Kinder- und Jugendeinrichtungen weiß, dass selbst Mädchen und Jungen, die eine Kindertagesstätte besuchten, oft mit »knurrendem Magen« kämen. Er betont, dass bei Anmeldung zur Ganztagsgrundschule die Teilnahme am Mittagessen verpflichtend sei. Mitunter führe das dazu, dass das Geld bei zahlungsunwilligen Eltern von deren staatlicher Unterstützung einbehalten werde.

Artikel vom 05.04.2006