05.04.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Jetzt entscheiden die Richter

E.ON verklagt 16 Gaspreisverweigerer - Verhandlung beginnt morgen

Von Edgar Fels
Paderborn/Dortmund (WB). Tausende Verbraucher und die gesamte deutsche Energiewirtschaft dürften am morgigen Donnerstag gespannt nach Dortmund schauen. Dort findet vor dem Landgericht ein Prozess statt, wie es ihn in dieser Form noch nicht gegeben hat. Der Paderborner Energieversorger E.ON Westfalen-Weser hat 16 seiner Kunden verklagt, weil sie sich weigern, einer Erdgaspreiserhöhung Folge zu leisten. Ob morgen bereits ein Urteil fällt, ist fraglich.

E.ON hatte im Oktober 2004 die Preise für Erdgas für seine 65000 Kunden um fast zwölf Prozent erhöht. Das brachte bei vielen Bürgern aus Paderborn und Umgebung das Fass zum Überlaufen. Sie beschlossen, die Mehrkosten nicht zu bezahlen und berufen sich dabei auf einen mehr als 100 Jahre alten Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Der Paragraf 315 besagt, dass der Vertragspartner - hier E.ON - den Preis nur nach »billigem Ermessen« erhöhen kann. Das heißt aus Sicht der Verbraucher: E.ON muss die Preiserhöhung beweisen.
Inzwischen sollen es nach Angaben der Paderborner Bürgerinitiative »Gaspreise runter« bereits 5000 Haushalte sein, die ihre Rechnungen nicht vollständig oder gar nicht bezahlen. E.ON spricht dagegen von 1500 Gaspreisverweigerern.
Der Energieversorger sah sich schließlich zum Handeln gezwungen. Im Juni vergangenen Jahres entschloss er sich zu einer Sammelklage gegen 16 Kunden. Sie sollen jeweils E.ON Summen zwischen etwa 100 und knapp 1000 Euro schulden. Der Streitwert beläuft sich auf insgesamt 7000 Euro.
»Wir sind es unseren weit mehr als 95 Prozent korrekt zahlenden Kunden einfach schuldig, diesen Weg gegenüber den Gaspreisverweigerern zu gehen«, hatte E.ON-Unternehmenschef Hans-Peter Villis damals erklärt. »Wir wollen endlich Rechtssicherheit erlangen«, fügte gestern E.ON-Sprecher Meinolf Päsch hinzu. »Unsere Preise sind marktgerecht«, betont er und verweist auf einen Vergleich unter 18 deutschen Großstädten. Darin belege der ostwestfälische Energieversorger unter den günstigsten Anbietern Platz 8. Im Vergleich zu den Stadtwerken Bielefeld sei E.ON bei einem Musterhaushalt (25000 Kilowattstunden pro Jahr) nur fünf Euro teurer. Päsch: »Wir sind zuversichtlich, dass das Landgericht unserer Argumentation folgt.«
Die Gegenseite, die durch den Rechtsanwalt Reinhard Weeg vertreten wird, sieht die Sache anders. »Wir wollen einen angemessenen Preis zahlen, aber nicht über den Tisch gezogen werden«, sagte Weeg. Der Jurist aus Rheda-Wiedenbrück beklagt zudem, dass es »auf dem Gasmarkt keinen Wettbewerb« gibt. Weeg gründet seine Argumentation auch auf das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Im Paragrafen 1 heißt es, die Versorgung der Allgemeinheit mit Gas müsse »möglichst preisgünstig« erfolgen. Weeg: »Der gesamte Preis für Erdgas muss überprüft werden.« Auch Roswitha Köllner, Mitbegründerin der Initiative »Gaspreise runter«, ist überzeugt: »Wir haben gute Karten in Dortmund.«
Der Unmut der Verbraucher über die gestiegenen Energiepreise ist jedenfalls groß. Allein in den vergangenen zwölf Monaten kletterte der Preis für Erdgas um 30 Prozent, seit 1997 sogar um 60 Prozent. Der Vorsitzende des Bundes der Energieversorger, Aribert Peters, rechnet bundesweit mit 500000 Gaspreis-Boykotteuren. Inzwischen hat es in Deutschland nach Auskunft von Reinhard Weeg 22 Gerichtsurteile bei Streitigkeiten zu Strom und Gas gegeben. Weeg: »Davon sind 17 zugunsten der Verbraucher ausgegangen.«

Artikel vom 05.04.2006