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Bange Blicke auf die Deiche

In Sachsen-Anhalt steigt das Elbe-Hochwasser schneller als erwartet

Dresden (dpa). Im Osten Deutschlands, in Österreich und Ungarn bleibt die Hochwasserlage kritisch. Der Höchststand der Elbe-Flut erreichte gestern Dresden, wo die Bewohner weiter hoffen, dass die stark belasteten Deiche halten.

Zugleich stiegen inzwischen auch die Wasserstände flussabwärts deutlich in die Höhe. In Magdeburg kletterte das Wasser stärker als erwartet. Im brandenburgischen Landkreis Elbe-Elster verschärfte sich die Lage.
In Westpolen bereiten sich die Behörden auf Evakuierungen an der Oder vor. In St. Georgen in Oberösterreich ertrank ein Kind. Der 18 Monate alte Junge hatte in einem Garten gespielt, der an den Hochwasser führenden Fluss Ager grenzt. In Bayern starb schon am Montag ein 86-jähriger Rentner, als er beim Auswaschen von Abfalleimern in einen Fluss gerissen wurde.
Der Pegelstand in Magdeburg lag gestern bei 6,20 Meter und damit höher als am Vortag prognostiziert. 2002 hatte der Höchststand beim Jahrhunderthochwasser dort 6,70 Meter betragen. Normal sind etwa zwei Meter. Der Hochwasserscheitel wird für das Wochenende mit etwa 6,40 Meter erwartet.
In Sachsen erreichte der Hochwasserscheitel der Elbe mit 7,50 Meter Dresden. Bei der Jahrhundertflut 2002 kam Dresden auf 9,40 Meter, normal sind auch hier zwei Meter. Laut Prognose zieht sich der Fluss aber nur langsam wieder ins angestammte Flussbett zurück. Der Landkreis Torgau-Oschatz flussabwärts rief Katastrophenalarm für sieben Gemeinden aus. Dort werden die Höchststände heute erwartet. Insgesamt waren in Sachsen knapp 1000 Helfer der Feuerwehr sowie etwa 300 Bundeswehrsoldaten im Einsatz.
Bei Gohlis wurde inzwischen eine Staatsstraße aufgerissen, damit das meterhoch gestaute Hochwasser abfließen kann. Die Straße war erst vor vier Jahren gebaut worden.
Doch kommt das für viele Bewohner des sonst so idyllischen 600-Seelen-Örtchens bei Riesa in Sachsen zu spät. »Zwei Tage eher und unsere Häuser wären nicht zum zweiten Mal in vier Jahren voll Wasser gelaufen und zerstört worden«, sagt Wolfgang Rudolph.
Der 54-Jährige von der Freiwilligen Feuerwehr stapelt seit dem Morgengrauen mit Helfern des Technischen Hilfswerks und der Bundeswehr unermüdlich Sandsäcke auf ein kleines Boot - das Gefährt ist die einzige Verbindung in das vom Wasser eingeschlossene Dorf. Sandwälle sollen im etwas höher gelegenen Zentrum der Gemeinde retten, was noch zu retten ist.
An vielen Häusern stehen noch Baugerüste der Jahrhundertflut von 2002. Ein paar letzte Pinselstriche - und die Spuren der Katastrophe wären in diesem Jahr endlich verschwunden gewesen. Schon damals hatte die erst wenige Monate zuvor eingeweihte Staatsstraße wie ein Damm das Elbwasser gestaut. »Ich wohne mein ganzes Leben in Gohlis und habe jede Menge Hochwasser erlebt, aber erst die Straße hat uns nasse Häuser beschert«, sagt die 62-jährige Martina Maier. Viele Häuser in dem Ort waren jedoch bereits überflutet.
Unterdessen führt auch die Weser mehr und mehr Hochwasser. Der schiffbare Wasserstand ist vielerorts überschritten. Unter anderem kommt es in Minden, Vlotho und Höxter zu Überflutungen und entsprechenden Behinderungen auf Straßen und Plätzen entlang des Flusses. In den kommenden Tagen wird mit weiter steigenden Pegelständen gerechnet.

Artikel vom 05.04.2006