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Bananen heißen Feigen
Antigua lockt seine Besucher nicht nur mit scharfer karibischer Küche
Elaine konnte sich mit dem Hausfrauen-Dasein einfach nicht abfinden. Wenn ihr Mann Roland morgens zur Arbeit und die Kinder zur Schule gefahren waren, dann überkam sie die große Langeweile.
Zwar verschafft der Tourismus den Bewohnern von Antigua viele Arbeitsplätze, doch Elaine wollte nicht dienen, sondern als Unternehmerin selbst gestalten. Also machte sie sich selbständig und versuchte, mit dem zu handeln, was ihre Scholle hergab. Schließlich war sie jedesmal aufs Neue von der Qualität ihres selbst geernteten Obstes überzeugt. Das müsste doch auch den Touristen schmeckenÉ
Elaine verfügt über einen Fundus an köstlichen Rezepten. Zwar schmeckt ihr Guavensaft einfach wunderbar, doch natürlich lassen sich die Früchte auch zu einem süßen, dickflüssigen Gelee verarbeiten. Die Gewürze ihres Gartens ergeben eine prima Soße, die den Liebhabern scharfer karibischer Küche bestens schmeckt. Und Elaine begann, ihre Freunde und Nachbarn zu ermuntern, ihre handwerklichen und künstlerischen Talente zu nutzen. So kann sie neben ihren Feinkost-Spezialitäten auch schöne Souvenirs anbieten.
Elaine wohnt an der Fig Road, was eigentlich übersetzt »Feigenstraße« bedeutet. Tatsächlich werden aber auf Antigua die Bananen als Feigen bezeichnet. Wie dem auch sei - entlang dieser Straße liegen im Regenwald Plantagen, die die herrlichsten Früchte hervorbringen. Die Regierung lässt erforschen, wie Böden und Weiterzüchtungen der Früchte am besten zusammenpassen. Die Landwirtschaft boomt, denn die Küchenchefs der Hotels verlangen absolut frische Ware und melden steigenden Bedarf an. Ferienanlagen wie Jolly Harbour, die wesentlich exklusiveren Hotels am English Harbour oder Luxusherbergen wie das Curtain Bluff erfreuen sich bei den Urlaubern immer größerer Beliebtheit. Ein großer Teil der Gäste lernt Antigua jedoch auf einer Schiffsreise kennen.
Der Kreuzfahrt-Tourismus boomt - und der seit 1981 unabhängige Karibikstaat Antigua und Barbuda hat sich bestens darauf eingestellt. Die Inselhauptstadt St. John's ist zu einem der bedeutendsten Kreuzfahrthäfen in der Karibik ausgebaut worden. Insgesamt können fünf Kreuzfahrtschiffe an zwei Piers festmachen. So startet beispielsweise die elegante »Sea Cloud« ihre Karibiktörns auf der Nord- und Südroute jeweils von Antigua. Und die »Aida Vita« gehört zu den regelmäßigen Besuchern im Hafen. Doch auch, wer es gemütlicher mag, kommt auf seine Kosten: Mehrere Yachtcharter-Agenturen halten ein großes Angebot an kleinen und großen Yachten vor Ort bereit. Doch es wäre viel zu schade, die Besichtigung der Insel auf die Fahrt vom Flughafen zur Pier zu beschränken. Die traditionelle Antigua Sailing Week, eine der führenden Segelregatten der Welt mit mehr als 300 teilnehmenden Booten, lockt ebenfalls jedes Jahr Tausende auf das kleine Eiland.
Egal, ob man nun mit dem Schiff Antigua erreicht oder den wöchentlichen Flug der Condor von Frankfurt nach St. John's nutzt - eines fällt sofort auf: die Lebensfreude der 65 000 Einheimischen. Klar, bei dem anhaltend guten Wetter. Antigua gehört zu den trockensten Inseln der Karibik. Das ist auch gut so, denn bei Regen droht große Gefahr: Niemals darf man unter dem Machineel-Baum Schutz vor einem Schauer suchen. Die Giftpflanze sondert dann eine Flüssigkeit ab, die für Hautverätzungen sorgt. Damit ist das Gefahrenpotenzial aber auch schon erschöpft, und einer erholsamen Tour steht nichts mehr im Wege. Die Gäste der »Aida« erkunden beispielsweise per Fahrrad die Insel, wofür man allerdings ordentliche Kondition benötigt. Für alle Mühen entschädigt beispielsweise der Blick zu den Nachbarinseln Guadeloupe und Redondo, ganz zu schweigen von der Ansicht des ständig dampfenden Vulkans Soufrière auf der Insel Montserrat.
Touren beginnen in St. John's, der Inselhauptstadt mit ihrer, alle Häuser überragenden Kathedrale, dem Nationalmuseum, dem Markt und den Einkaufszentren Heritage- und Redcliffe Quay. Dort versucht man, die Tagestouristen zum schnellen Geldausgeben zu verleiten.
Die restaurierte Werft Nelson's Dockyard in English Harbour erzählt von längst vergangenen Tagen, als Antigua noch der bedeutendste Flottenstützpunkt der Karibik war.
Von den insgesamt 40 aus der Kolonialzeit stammenden Befestigungsanlagen ist die auf Shirley Heights, über English Harbour gelegen, die bekannteste. Dort, am Lookout, mit einem großartigen Blick über English Harbour, finden sich jeden Sonntagnachmittag und -abend, im Winterhalbjahr auch an Donnerstagnachmittagen und -abenden, Touristen und Einheimische ein, um bei Barbecue Steelband und Reggae-Musik zu hören und bei einem »Sundowner« den Sonnenuntergang zu genießen. Man schaut übrigens direkt auf die Baustelle der neuen Villa von Gitarren-Superstar Eric Clapton. Die 280 Quadratkilometer große Insel verspricht 365 Strände - einen für jeden Tag des Jahres. Thomas Albertsen

Artikel vom 08.04.2006